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Ein Mann namens Jonas

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Der Stuttgarter Dr. Ottomar Domnick ist Psychiater, Freund der abstrakten Malerei und des expressionistischen Films und hat diese seine dreieinige Neigung und Begabung schon in Filmen, Büchern und Vorträgen erhärtet. Mit dem Traumfilm „Jona s“ versuchte er, einmal die Amateurbannmeile zu überschreiten, und griff nach der Palme Cocteaus. Der Griff trug ihm acht Auszeichnungen, viele Zustimmungen und noch mehr Ablehnungen ein. In solchen Fehden ist es die vornehmste Pflicht des Kritikers, kühlen Kopf zu bewahren, fürs erste festzustellen, daß das Experiment kühn gewagt, mit achtenswertem Können ausgeführt, im ganzen aber nicht geglückt ist — und das letzte Urteil darüber der Geschichte zu überlassen. „Jonas“ ist für seinen Schöpfer der problematische, angstgequälte, vorwiegend Urbane Mensch unserer Tage, unzugänglich für irdischen und religiösen Zuspruch, ein Bündel von Gejagtheit und Verlassenheit, verfolgt von Schuldkomplexen, monotonen Stimmen und Geräuschen und tückischen Zufällen. Der Film stellt eine eisig-sachliche Diagnose und verzichtet bewußt auf alle Therapie: hier müsse ein jeder mit sich selbst fertig werden, meint sein Schöpfer. Gerade das aber müßte ihm als Psychiater fragwürdig sein: Neurotiker und Selbstmordkandidaten entläßt man nicht mit Achselzucken oder mit Bildchen von gleichen Schicksalen, sondern mit Trost und Zuspruch, Aufklärung und Hilfe. Dies scheint uns ein wesentlicherer Einwand gegen den Film zu sein als der häufig erhobene Vorwurf, er sei zu kompliziert, zu verschroben geraten — wir sind nämlich alle mitsamt auch nicht so grad und krumm wie ein deutsches Lustspiel. Die subtilen Musik-, Geräusch- und Bildpassagen des Films sind also wohl am Platz und im ganzen gut geraten. Auch das disziplinierte Unterspielen der (ganz wenigen) Darsteller hat seinen Sinn. Wir wünschen also „Jonas“, dem Film, alles Gute. Jonas, seinem Helden, aber, daß sein verzweifelter Ruf aus dem Bauch des Walfisches nicht in die eisige Leere moderner Film-psychiatrie, sondern ans Ohr des großen Helfers und Trostspenders dringe.

Der „humane Arzt“ im Gegensatz zu harten Umwelten ist ein beliebtes Thema neuerer Literatur. „Der Mann im Feuer“ (englisch) löst das Problem solid und sauber im Kolonialmilieu, ,-,Es heißt Sonnenaufgang“ (französisch) rutscht dabei weif links ab und läßt seinen Arzt zum Ehebrecher und Anwalt eines Mordes werden.

Tyrannenmord — nicht nur ein mittelalterliches Problem! „Die Fanatiker“ (französisch) lädt es mit modernster Hochspannung auf, so elektrisierend, so gut gespielt (Pierre Fresnay, Michel Auclair), daß die todernste Fragestellung fast dabei verkümmert.

Das deutsche Charakterlustspiel lebt, da alles ringsum verdorben und gestorben, derzeit ausschließlich. von Heinz Rühmann. Erfreulich wieder einmal: „Der Mann, der nicht nein sagen konnte.“ Weniger erfreulich, da mit unnotwendigen Derbheiten garniert: „Ihr 106. Geburtstag.“ Man hätte der großartigen Chargistin Margarete Haagen gerne einen glücklicheren Sprung ins Hauptfach gewünscht.

F i.l m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich) Nr. 45 vom 8. November 1958 : III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Arrivederci Roma“, „Die Fanatiker“, „Rauchende Pistolen“, „Rivalen der Manege“ — IV (Für Erwachsene): „Gegen das Gesetz“, „Der lange, heiße Sommer“, „Der Mann, der nicht nein sagen konnte“, ..Der Sierra-Baron“ — IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Kilometerstein 375“, „Rauschgift“ — IVb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Ihr 106. Geburtstag“.

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