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ERWIN MACHUNZE / IMMER BEI DEN KLEINEN
Es gibt wohl kaum eine wiichtige Gruppe der letzten zwei Jahrzehnte, bei der sich Erwin Machunze nicht in dieser oder jener Form unbeliebt gemacht hiltte, der dieser zdhe Qsterreich-Schlesier durch seine Hartndckigkeit und stets gleich- mdpig-freundliche Energie nicht schon auf die Nerven gegangen weire. Angefangen hat das wit ihm wohl schon 1931 — damals war der heute Fiinfzigjdhrlge genau zwanzig Jahre als ihn sein polltischer Lehrmeister, der christlichsoziale Arbeiterfilhrer Hans Schutz (heute Abgeordneter in Bonn), mit hinein- nahw in den Zweifrontenkampf der dewokratischen Sudetendeutschen, dem viele der Besten unterliegen muflten. Als Gebietssekretdr der christlichen Gewerkschaften Nord- ntahrens und als Vorsitzender des
Verbandes christlicher Eabrik- und Bauarbeiter mufite er sogar noch an einer dritten Front kdmpfen: Der heiwattreue Sudetendeutsche verteidigte die berechtigten Exi- stenzwiinsche seiner Landsleute ge- gen die Borniertheit der damals tonangebenden chauvinistischen tschechischen Bourgeoisie; der liber- zeugte Katholik und Demokrat stand aber zugleich in klarer Front gegen den wachsenden Ungeist der immer deutlicher zum National- sozialismus einschwenkenden Hen- leinbewegung, und wan kann sich lebhaft vorstellen, dafi ein so ent- schiedener und grundsatzklarer Arbeitervertreter und Sozialpolitiker wie der junge Machunze in den Reihen der grbfitenteils biirger- lichen christlichsozialen Gesin- nungsgenossen auch nicht nur Freunde fand…
Als Erwin Machunze 1945 zu- sammen wit vielen anderen, die sich bis 1938 filr die demokratische Republik von Prag eingesetzt hatten, die alte wdhrische Heimat verlassen wufite, war er sich selbst treu geblieben. Und treu waren ihm auch die vielfdltigen Gegnerschaf- ten erhalten. Wieder standen die vielen Sessel da, federzeit bereit, ihm eine Lucke zum Dazwischen- setzen zu gewdhren. Da war das Osterreich der unmlttelbaren Naclt- kriegszeit: Die Sudetendeutschen, zu denen sich Machunze auch in den triibsten NachkriegsjaUren immer vorbehaltlos bekannt, waren weder in Osterreich als Ganzem noch in den Reihen der Volkspartei besonders gem gesehene Gdste, zuwal dann, wenn sie nicht nur
Wdhler sein wollten, sondern be stimwte Existenzwdnsche vorbrach ten. Und der, der als ihr Spreche: auftreten wollte, hatte einen be senders schweren Stand. Vorschu/ an Lorbeeren oder Vertrauensposi tionen wurden nicht gewdhrt Machunze wufite gerade in dieset Jahren erst einwal zeigen, dafi ei zumlndest ein so guter Osterreichei wie ein Sudetendeutscher zu seit vermochte und dafi er seine Energii und seine bis zum letzten ausge schopfte Arbeitskraft der Volks partei mit eben der gleichen Hin gabe zur Verfiigung stellte wie dei von ihm mitgegriindeten Organise tion der christlichen Heiwatvertrie benen, der im Gedenken an de; Znaiwer Bdckersohn und Heilige; von Wien, Klewens Maria Hof bauer, auf dessen Erbe verpflichte ten Klemensgeweinde. An Arbei wangelte es also nicht, und da e\ seine Fawilie und sich selbs schliefilich auch erhalten wufite kam der Beruf hinzu: die Journa listik bei Wochen- und Tageszei tungen und seit einiger Zeit da Pressereferat des Hauptverbande. der Sozialversicherungstrdger.
Aber auch an Gegnern wangelti es nicht. Diejenigen, die ihn zi Anfang in der Volkspartei etwa wifitrauisch angesehen hatten, sin; wit den Jahren zwar seine Freundt geworden. Sit wissen, was sie at ihm als einem Mann mit stets pa ratem Geddchtnis, immer grilnd licher Arbeitsbereitschaft haben Jahr filr Jahr wird ihm die arbeits- reiche und kaum bedankte Aufgabt eines Generalberichterstatters in de\ Budgetdebatte iibertrogen, Aber di sind eben die anderen: die Sozia- listen, die es als recht schmerzlich ansehen, dafi Machunze die Mehr- heit der heimatvertriebenen Wdhler ins Lager seiner Partei gezogen hat, und dann jene altbekannten Natio- nalen, die nach 1945 mucks- wduschenstill waren, seit ein paar Jahren aber immer lauter und an- ntafiender die Stimme erheben. Sie haben den zdhen Kletnarbeiter Machunze in den letzten Jahren oft — heiwlich und offen — verhbhnt, seine Bewuhungen filr seine Landsleute wegen ihrer oft mehr als bescheidenen wateriellen Erfolge verspottet. Schliefilich war und ist er ja ein „Klerikaler”. Und das vergifit wan in diesen Kreisen nicht.
Unerschiitterlich war und ist nur die Freundschaft derer geblieben, filr die Erwin Machunze dreifiig Jahre seines Lebens immer und in erster Linie da war: fiir die Kleinen und die, die unter die verschiedenen Rader der harten bsterreichisch- bohmischen Geschichte dieser Jahrzehnte kamen. Fiir sie hat er sich eingesetzt, fiir sie ist er von Amt zu Amt, von Grewiuw zu Grewiuw gelaufen, intervenierend, bittend, Gutachten ausarbeitend oder auch nur ihre Sorgen anhbrend. Und ihnen zuliebe hat er nicht locker- gelassen, bis es, fast genau an sei- new 50. Geburtstag, zur Krdnung seiner biskerigen Arbeit kam, dem bsterreichisch-deutschen Abkom- men von Bad Kreuznach, das gerade auch den Armsten eine Hilfe und einen kleinen Ersatz fur das Verio - e bringen soil.
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