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Es gibt noch Christen in China

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Eine frühere evangelische China-Mis- sionarin, Ger a Buege, konnte als Teilnehmerin einer von Ost-Berlin ausgehenden Gesellschaftsreise nach dem kommunistischen China wieder die Stadt besuchen, in der sie 16 Jahre lang tätig gewesen ist. Es gelang ihr auch, trotz der festgelegten Reiseroute, Kontakt mit christlichen Gruppen aufzunehmen, worüber sie in den Berliner Missionsmitteilungen „Der Ruf“ berichtet. Dabei geht sie von der Feststellung aus, daß es die christliche Mission, die bis zum politischen Umbruch 1949 1951 vom Westen her tätig war, in China nicht mehr gibt. „Der Baum über hundert Jahre alt, ist abgehauen worden.“ Man habe ihn schon lange als fremd empfunden, aber seine gesunde Wurzel sei geblieben, „und zarte Zweige ziehen ihren Lebenssaft aus ihr“.

Daß die Christen in China zu einer „beängstigenden Minderheit“ geworden sind, ist das auffälligste Zeichen der jetzigen Lage, wie sie die Reisende erlebte. „Kirchen und Christen muß man mit der Lupe suchen“, schreibt sie. „Ich habe nicht den Eindruck, daß die Christen gezwungen werden, ihren Glauben aufzugeben — natürlich habe ich als Touristin einen beschränkten Blick —, aber mir scheint, daß das Leben des einzelnen so sehr in Anspruch genommen ist von Arbeit und sozialistischen Verpflichtungen, von Fortbildungskursen und rhythmischen Übungen, daß es nicht leicht sein muß, Raum und Zeit zu finden für das Gemeindelehen. Man hat den Eindruck, als würden 650 Millionen Menschen einem Ziel nachjagen: das Weltniveau zu erreichen. Sie sind noch auf dem Wege, aber ungeheuer viel ist schon geschehen …

Das Erstaunliche in dieser Situation ist, daß es überhaupt noch Gemeinden gibt. Prozentual läßt sich die Zahl der Christen heute wohl kaum feststellen. Wenn man die Gemeinden mit ihren Gliedern statistisch festlegen wollte, so würden die zerstreuten Christen, die

fern von jedem Gemeindeleben existieren, nicht erfaßt werden. In Schanghai scheint das kirchliche Leben immer noch verhältnismäßig reger zu sein, als es sonst der Fall ist. Das liegt an der besonderen Lage der Zehnmillionenstadt. Allerdings ist die Zahl der Kirchen von 200 auf 20 zurückgegan- genr aber die verschiedenen Denominationen existieren dort noch. Ein Pastor der Methodistenkirche erzählte mir, daß alle Pastoren der Stadt in Zeitabständen Zusammenkommen und die Verschiedenheit der Denominationen überhaupt keine Rolle spielt. Er berichtete, daß in seiner Kirche jeden Sonntag drei Gottesdienste mit etwa je 300 Besuchern stattfänden. (Aber diese Zahl ist durchaus einmalig!) In den Kirchen anderer Städte gibt es nur einen Gottesdienst am Sonntag und die Besucherzahl beläuft sich nach Angabe auf etwa sechzig …

Zeichen des Lebens habe ich gespürt, wenn etwa die Freude zum Ausdruck kam, daß die Gelegenheit zum Zeugnis gesehen wurde. Unvergeßlich bleibt mir der junge Pfarrer, der freudestrahlend mit den Worten eintrat: .Entschuldigen Sie, bitte, daß ich Sie so lange habe warten lassen. Ich komme gerade aus der Fabrik und mußte mich umziehen. Wir Pastoren helfen mit beim Aufbau, drei Tage in jeder Woche!’ Er sah diese Situation der engen Arbeits- und Lebensgemeinschaft mit den Volksgenossen als Gottes Gelegenheit an, um die Kommunisten, die Atheisten zu lieben, wie Gott sie liebt! Ich weiß auch von Christen in China, einer Chefärztin, einem Lehrer der Mittelschule, von Pfarrfrauen, die als Krankenschwestern oder Kinderhortnerinnen tätig sind, von der Frau des Bischofs, die in einem Betrieb arbeitet, in dem man Briefumschläge herstellt. Durch ihre christliche Existenz im sozialistischen Raum Asiens bringen die Christen den Erweis, daß der christliche Glaube nicht die Religion der

weißen Rasse ist, sondern die Kraft Gottes, die alle retten kann!“

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