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Feuer

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In dieser Woche jährt sich zum vierzigstenmal ein verhängnisvoller Tag unserer Geschichte, An die hundert Tote waren die blutige Ernte dieses „heißen Sommers“ 1927. Mit Recht bezeichnet XJniv.-Prof. Doktor Ludwig Jedlicka (vgl. Seite 3) den Tag des Justizpalastbrandes als den „Wendepunkt in der Geschichte der Ersten österreichischen Republik“. Von da an ging es abwärts. Der Graben zwischen rechts und links wurde immer breiter, über ihn führte künftig keine tragfähige Brücke mehr. In ihm versank zunächst die Demokratie. Wenige Jahre später aber war auch das Vaterland verloren.

Im Innern unseres Blattes zeichnet der Leiter des Instituts für Zeitgeschichte die historischen Konturen dieses Schicksalstages. Er kommt dabei zu der Feststellung, daß niemand von den verantwortlichen Männern das Unheil wirklich gewollt hatte. Man war, wieder einmal, auf eine spezifisch österreichische Art in die Katastrophe „hineingeschlittert“.

Damit aber haben wir die Gefilde historischer Betrachtungen verlassen und stehen loieder im Jahr 1967. Gewiß, die Szene hat sich gewandelt. Aber wenn wir uns erinnern, bildete den ersten Stein, der die Lawine des Unheils auslösen sollte, damals das Fehlurteil eines Geschworenengerichts. Können Wir wirklich sagen, daß eine solche Problematik heute nur das historische Seminar interessiert? Gerichtsurteile, die mit dem Namen Graz und Linz in Verbindung stehen, korrigieren eine solche Auffassung. Und als wilde Leidenschaften die Straßen erfüllten, stießen sie auf eine Exekutive, die geistig und materiell für eine Bewältigung der Situation nicht gerüstet war. Ist in den letzten Jahren alles geschehen, um unsere Polizei und Gendarmerie für konkrete Erfordernisse bereitzumachen? Wenn ja, wir müßten jetzt nicht eilen, das Versäumte nachzuholen. Ein schwacher oder unsicherer Staatsapparat aber ist eine Einladung an „Selbstschutzverbände“, die einst gemeinsam die Republik ins Grab marschierten. Beruhigend wird uns, wenn wir solche Gedanken äußern, der Enkel von Karl Kraus in die Literatur eingegangenen „Optimisten“ darauf aufmerksam machen, daß alles, von dem wir sprechen, Randerscheinungen der politischen Bühne sind, daß echte Massenleidenschaften, wie sie vor vierzig Jahren durchbrachen, bei den unterkühlten Kindern der Konsumgesellschaft nicht mehr aktuell sind. Vorsicht! Sind schon die Demonstrationen um den Professor B. und ihr fatales Ende aus dem Bewußtsein verdrängt?

Ein letztes: Die „Konfrontation“ an Stelle der Koalition ist eine gute Sache, solange tragfähige Brücken in genügender Zahl die beiden Ufer unseres politischen Lebens verbinden, sofern das Bewußtsein, daß es für alle Österreicher heute mehr Verbindendes als Trennendes gibt, vorhanden ist. Sind aber nicht da und dort „Sprengkommandos“ unterwegs, die alle Brücken bis auf den letzten schmalen Steg abbrechen wollen? „Um so härter und unversöhnlicher einander ,Rechts' und ,Links' wieder gegenüberstehen, um so besser. Weg mit allem und jedem, der diesen Kurs nicht mitmacht, der ihn für einen Weg in neues — altes Unheil hält!“ Den Rest besorgen Fatalismus, Resignation und die klassische österreichische Philosophie des „Schön ist es nicht, aber was soll man machen“.

All dem heißt es widerstehen, soll nicht eines Tages wieder einmal Feuer am Dach sein — Feuer am Dach der Republik Österreich.

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