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Flaute in Graz

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„Gönn dir was Gutes — geh ins Theater“, so werben seit neuestem die Grazer Vereinigten Bühnen um besseren Besuch. Das Malheur ist nur, daß gerade in letzter Zeit auf der Opern- wie auf der Schauspielbühne Dinge passierten, die das Publikum nur mit einiger Skepsis dem freundlichen Slogan lauschen lassen. Die Zeit, da es noch Interessantes von den Grazer Theatern zu berichten gab, ist ja leider seit längerem vorbei. Man hat sich beinahe schon an den Durchschnitt gewöhnt. Unangenehm wird's erst, wenn die Grenze des Vertretbaren unterschritten wird. Das war der Fall bei „Frau Warrens Gewerbe“ von Shaw und bei der ersten Premiere von „Tratnata“.

Verdis Oper wurde als Doppelpremiere gegeben. Die Regie Wolfgang Webers war brauchbare Konvention mit schüchternen Versuchen psychologischer Deutung und ein paar gewollt wirkenden Äußerlichkeiten. Schlimmer stand es mit den Dekorationen Josef Bruns: pompös tuende Salons standen armseligen Kabinettchen gegenüber. Die musikalische Leitung war bei Peter P. Hoff er (am zweiten Abend) in besseren — weil temperamentvolleren — Händen als zuvor bei Maximilian Kojetinsky. Violetta I wurde von der begabten und schon recht erfolgreichen Stefka Todorowa gegeben; sie befand sich aber in einer solchen Formdepression, daß ihr diese Partie eigentlich nicht zuzumuten gewesen wäre: so aber war das stimmliche Debakel unvermeidlich. Weit besser schlug sich Violetta II, die attraktive Jacqueline van Quaille, die über eine schöne, erstaunlich gut geführte Sopranstimme verfügt. Die Höflichkeit gebietet es, über den Alfred der ersten Premiere zu schweigen; aber auch Alfred II (Jose- M. Peres) hatte keinen sehr guten Tag. Am besten gefielen die beiden Darsteller der Vaterrolle, Hans Helm mit seinem schönen, weichen Bariton und Rudolf Constantin mit einer „italienisch“ geführten, leider allzusehr flackernden Stimme.

Dieses halbe Debakel in der Oper hatte sein Gegenstück in einem fast ganzen im Schauspielhaus. Dost wirkte das Bemühen der Dramaturgie, Shaws frühem Stück „Frau Warrens Gewerbe“ Aktualität zuzuschreiben, geradezu lächerlich —-noch dazu angesichts einer völlig farblosen, uninteressanten und hilflosen Inszenierung. — Aktualität wollte seinem Publikum auch Veit Relin verkaufen: Er gastierte mit seinem Wasserburger Thespiskarren, der sich „Studio Heberthal“ nennt, fand aber beim Publikum nur peinliche Betretenheit, bestenfalls höflichen Applaus. Lautensacks expressionistische Löwingerei — „Die Pfarrhauskomödie“ — war von Relin, seiner Frau Maria Schell und den übrigen Mitgliedern der Truppe recht amüsant gespielt, kann aber selbstverständlich nicht als Diskussionsbeitrag zur Frage des Zölibats katholischer Priester genommen werden, als den Relin sie gerne gesehen hätte. — Genets „Zofen“ gaben dann im zweiten Teil der Schell Gelegenheit, sich in einer Art Männerrolle (als Solange) zu zeigen. Den Sinn für Melodie und Rhythmus der perversen Spiele des frühen Genet kann man Veit Relin und seinen Leuten nicht absprechen; das Pathos hingegen, mit dem sie zu Werke gingen, wäre einem Schiller der dreißiger Jahre nicht schlecht gestanden.

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