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Füchse und Kinder

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Ein mitreißendes Stück in der I n s e 1. Unter Patronanz der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft werden „Die kleinen Füchse“ (von Lilian Hellmann, ins Deutsche übertragen von Walter Firner, der auch ausgezeichnet Regie führt) der Wiener Öffentlichkeit präsentiert. Die Saga vom Aufstieg einer Familie in den Südstaaten, die in den Wirbel der industriellen Entwicklung, der hochkapitalistischen Ära im späten 19. Jahrhundert, hineingerissen wird. Wie ein Orkan überfällt die Geld- und Machtgier diese Menschen, entzündet lange gehäuften Brennstoff zu heller Glut. Aus keinbürgerlich-engen, zähen Burschen werden große Schurken, die über Leichen gehen, auch über das Leben nächster Angehöriger, wenn sie sich dem „Fortschritt“ (zur Dollarmillion) in den Weg stellen. Die alten Werte der bürgerlichen, der Geschäfts — Moral sinken zu zerknüllten Papierschnitzeln, die man in den Ofen wirft. Das bürgerliche Heim wandelt sich zu einem Raubtierkäfig, der, um ein Wort von Frank Thiess über die spätantike Welt zu gebrauchen, von Haß stinkt. Die Triebe, hier entfesselt, sind nicht so untergründig, wie im Haus der Wasa Schelesnowa, mit der ein typologischer Vergleich sich lohnen würde, sondern ganz eindeutig, blank, jedem sichtbar. Was das Stück nun nicht nur erträglich macht, sondern ihm seinen tiefen Reiz und seinen Hintersinn verleiht, sind einige Figuren — Arme, Kranke, Schwache, Randzonenmenschen —, so eine alte Negerin und ein junges Mädchen, die das sanfte Gesetz bezeugen und jene unversehr-bare unüberwindliche Kraft ausstrahlen, die das Lamm zum Sieger über den Löwen macht. Es sind keine von ätherischer Anmut und reichster Melancholie umflossenen Legendengestalten, die bei Shakespeare und jetzt wieder Fry durch diese Welt der Blutschuld und verbrecherischen Narrheit schreiten, sondern sehr leibhaftige rundbackige Menschenkinder, die mit beiden Füßen im Leben stehen und doch diesem Kreislauf des Todes nicht verfallen. Durch eine intime Bindung der .Lämmer“ an die .Füchse“ (die Füchse sind dem Bild der Bibel für böse, gott- und menschenfeindliche Menschen entnommen) erhält dieses Drama seine Spannung, die es vom ersten bis zum letzten Moment nicht verläßt. Eine prachtvolle Ensembleleistung der Insel.

In Akademietheater: Carson McCullers .Frankie und die Hoch-zeit“. Träumereien nicht an französischen Kaminen, sondern in der Küche der Negerköchin Berenice Sadie Brown. Die kleine Frankie fühlt sich als Aschenbrödel der Familie in diese Küche verstoßen, das warme psychoanalytische Interesse der Autorin rettet sie für das Auge des Publikums, just im letzten Moment, in dem sie noch .interessant' ist durch ihre Träume, bevor sie, wie die anderen, ein normaler, gedankenloser, egoistischer Mensch ohne .Ich-“ und Wir'-Komplexe wird. Da stirbt ein kleiner Junge, vom Negerleid wird etwas erzählt, Frankie will an der Hochzeit des großen Bruders teilnehmen.., Kinderselbstmord? Nein, es geschieht gar nichts, alles löst sich in Stimmung, Atmosphäre auf. Der Regisseur (Berthold Viertel) gibt im reichen Maße, was der Autor nicht geben will (oder nicht zu geben hat?). Das ist das wirklich Sehenswerte: wie das dürftige Gerüst behängt wird mit dem Zauber des Theaters, tausend kleine Zärtlichkeiten sprühen über die Bretter.

Der Austro-Engländer Edmund Wolf ist mit seiner Komödie Zwei zu d r i 11 ?“ im Volkstheater abgestiegen. Zu kurzem Gastspiel. Thema und Behandlung sind hundert Vorlagen nachgeschrieben. Zwei Frauen streiten sich um einen Mann, der natürlich ein Virtuose Ist und sich lange Zeit nicht zur Monogamie zu bekennen wagt. Man darf nicht daran denken, wie andere Autoren dieses Thema zuvor gemeistert haben...

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