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Gluck und Tragik Leopold Mozarts

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MEIN SOHN WOLFGANG AMADEUS. Von Julian Kay. Verlan Herold, Wlon —München,1963. 15 Selten. Mit 16 Bildern. Preis 5* S.

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MEIN SOHN WOLFGANG AMADEUS. Von Julian Kay. Verlan Herold, Wlon —München,1963. 15 Selten. Mit 16 Bildern. Preis 5* S.

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Recht schwankend war bis vor kurzem sein Charakterbild in der Musikgeschichte: das Bild von Leopold Mozart, Geiger und Kapellmeister, Autor einer berühmten, in mehrere Sprachen übersetzten Violinschule, des Komponisten weitverbreiteter „populärer“ Stücke, des Mannes, der für eine ganze Generation maßgebend war in Fragen der Musiktheorie und des musikalischen Geschmacks, des Vaters von Wolj-gang Amadie. Was ihm vorgeworfen wurde, Ist bekannt: daß er die Begabung und den jungen Ruhm seines Sohnes kommerziell auszunützen bestrebt war, daß er das -Kind vof allem phycloeh ■ ■ über-forderte, daß er von dessen Erfolg profitieren wollte, daß er Wolfgaag zu beherrschen und zu gängeln versuchte — und im Grunde von dem Genie seines Sohnes keine (oder nur eine sehr ungefähre) Ahnung hatte.

Aber bereits der vor kurzem verstorbene Mozart-Forscher E. F. Schmid charakterisiert ihn In der Allgemeinen deutschen Musikenzyklopädie (Bärenrelter-Verlag, Bd. 9 von 1961, wo die Literatur über Leopold Mozart zwei engbedruckte Spalten füllt): „Leopold Mozart war der einzigartig kluge, planvolle und feingebildete Erzieher, Lehrer und Mentor seines Sohnes.“ Ein weiteres Verdienst Leopold Mozarts ist, daß er während der ersten 20 Jahre sämtliche Manuskripte seines Sohnes sorgfältig sammelte und geordnet der Nachwelt überliefert hat. Auch ein erstes Werkverzeichnis verdanken wir ihm. Eine Biographie des Sohnes ist er uns schuldig geblieben. Statt dessen besitzen wir die Korrespondent zwischen ihm und Wolfgang sowie mit einigen Freunden: Briefe, in deren Mittelpunkt ebenfalls der geliebte und umsorgte Sohn steht.

Auf diese Briefe stützt sich In erster Linie die vor kurzem erschienene Darstellung von Juliane Kay,. der bekannten und erfolgreichen Autorin zahlreicher Romane, Erzählungen und Dramen. Sie hat dem Studium der Quellen viel Zeit gewidmet, besser gesagt: sie hat jahrelang mit Vater und Sohn Mozart gelebt — und beide gleichermaßen zu verstehen versucht. Es ging der Autorin nicht um die Entdeckung und Erschließung neuer Quellen, um Vermehrung der umfangreichen Mozart-Literatur, um ein weiteres Spezialwerk. Daher ließ sie auch Leopolds Lehrjahre im Gymnasium der Augsburger Jesuiten und an der Benediktineruniversität in Salzburg sowie die interessante Aszendenz der Augsburger Mozarts außer Betracht: eine Reihe künstlerisch, auch musikalisch hochbegabter Männer. (So waren zum Beispiel der Urgroßvater David II. Mozart und der Großvater Hans Georg angesehene Baumeister ihrer Zeit.)

Juliane Kay sieht den berühmten Sohn aus der Perspektive des Vaters, dp~ das- -ihm anvertraute'-Genie wachsam, fördernd, fordernd, fanatisch liebend und sorgend begleitet. Und sie sieht den Vater mit den Augen des Sohnes, des weichen, vertrauenseligen, in seinen Entschlüssen oft schwankenden, verspielten und lebensfremden — der aber einer Sache immer ganz sicher ist: seines Talents, das ihm verliehen wurde, und der weiß, daß er es nur in Freiheit, in einer Sphäre des Wohlwollens, der Teilnahme und der Sympathie voll zu entfalten vermag. — Der Vater dagegen will Sicherheit, einen gutbesoldeten Posten im Dienste eines weltlichen oder geistlichen hohen Herrn, auch um den Preis einer gewissen Freiheitsbeschränkung. Und hier, auf dieser Ebene, vollzog sich die Entfremdung zwischen Vater und Sohn, hier wurzelt der Konflikt und Vater Leopolds Tragik. Die dem Vater so unsympathischen „Weberischen“, deren eine (wenn auch nicht die schöne Aloysia) Wolfgang dann doch noch geheiratet hat, sind ebenfalls ein „Unsicherheitsfaktor“ und daher für die 1782 beginnende Entfremdung von Bedeutung.

Die Autorin hat dieses schwierige Verhältnis mit allem nur wünschenswerten Takt dargestellt. Sie bedarf, da sie die notwendigen Quellen kennt und sich in die Konfliktsphäre der Mozarts intensiv eingelebt hat, der „poetischen Zutaten“ nicht. Daß sie stets auch streng bei der historischen Wahrheit blieb, hat ihr der größte lebende Mozart-Forscher, Prof. O. E. Deutsch, bestätigt, der das Manuskript vor der Drucklegung gelesen hat.

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