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Goethe und Osborn

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Das Linzer Landestheater brachte im großen Haus Goethes edles Versdrama „Iphigenie auf Tauris“ unter der Regie von Hermann Kutscher zu einer beachtenswerten Aufführung, die mit Erfolg die monumentale Erhabenheit der Dichtung auch szenisch in Erscheinung treten läßt. Walter Perdachers Bühnenbild bot dafür wertvolle Hilfe. Alles, was vom Gehalt, vom Wort ablenken könnte, wurde vermieden. Der Hain vor Dianas Tempel wird nur durch ragende Mauern und überdimensionale Plastiken nach einem Entwurf Professor Walter Ritten angedeutet. Leider standen zur Besetzung des Dramas nicht in jeder Hinsicht entsprechende Kräfte zur Verfügung. Die künstlerische Leistung Cornelia Oberkog-lers als Iphigenie ist gewiß achtenswert. Sie hat Momente von dramatischer Kraft und Höhe. Doch zerlegt sie den Text durch zu viele und zu lange Zäsuren, was den Fluß der Verse stört. Auch ist die Tonlage ihrer

Stimme nicht gerade günstig, die forciert grell wirkt. Ihre Gestik ist oft allzu stilisiert. Hans Faber als König der Taurier überstürzt hingegen im ersten Auftritt die Verse, doch im Schlußauftritt findet er das rechte Maß. Peter Schratt hat sich sichtlich mit der Rolle des Orest eingehend auseinandergesetzt. Hätte die Regie manche sprachliche Übersteigerung gedämpft, könnte die Leistung vorbildlich genannt werden. Wurde zwar die tiefe Wirkung dieses edlen Hochgesanges geläuterten Menschentums nicht erreicht, zog die Aufführung die Zuschauer immerhin in ihren Bann.

Der amerikanische Autor Paul Osborn, von dem im Wiener Theater im Zentrum das Lustspiel „Erinnerst Du dich?“ aufgeführt und in der „Furche“ (15/1962) besprochen wurde, kommt in den Linzer Kammerspielen mit seinem bekanntesten Drama „Tod im Apfelbaum“ zu Worte. Das Spiel ist eine eigenartige

Mischung von naturalistischer Gesellschaftskritik und Legendenspiel. Durch eine gute Tat und einen Trick hat Mr. Northrop den Tod auf seinen Apfelbaum gebannt. Das Stück wurde wohl gewählt, um Otto B u r g e r anläßlich seines vierzigjährigen Bühnenjubiläums Gelegenheit zu geben, seine großen schauspielerischen Qualitäten zu zeigen. Er bietet auch tatsächlich als Großpapa Julian eine schauspielerische Leistung, wie man sie nicht besser denken und wünschen könnte, eine harmonische Mischung von Herzensgute, Energie, Schlauheit und Humor, die bald ergreift, bald zum Lachen zwingt. Der Tod, der als harmloser Mr. Brink erscheint, wird im Sinne der mittelalterlichen Mysterienspiele und Totentänze als Freund der Menschen und Gevatter aufgefaßt, der im Dienste des höchsten Herrn die Menschen vom Erdenleid befreien und in ein besseres Leben führen soll. In diesem Sinne wird er von Gustav Dieffenbacher auf die Bühne gestellt. Besondere Anerkennung gebührt noch der kleinen Brigitte Kren in der Rolle des Enkels Pud, die zu den größten Kinderrollen der Theaterliteratur gehört. Sie wird von ihr nicht gespielt, sondern gelebt. Maria Hanke, bietet als Großmama Nellie wohl ihre bisher beste schauspielerische Leistung. Elfriede Gollmann als penetrante Demetria in unnachahmlicher Mimik und Gestik eine einmalige Charakterstudie. Rolphe de la C r o i x schloß die Darsteller zu einem harmonischen Ensemble zusammen, dem Heinz K ö 11 e 1 ein ansprechendes und werkgerechtes Bühnenbild geschaffen hatte. Stück und Darsteller fanden reichen Beifall, am meisten die jüngste Und der älteste, Otto Burger, dem Intendanten Krahl auf offener Bühne verdienten Dank und Anerkennung entbot.

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