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Große Projekte und kleine Entwürfe

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In der Akademie am Schillerplatz sind jetzt die Wettbewerbsentwürfe für jene Wiener Riesensporthalle am Vogelweidplatz zu sehen, deren Bau schon in nächster Zeit begonnen werden soll. Nun, von der augenblicklichen Notwendigkeit eines solchen Millionenprojektes wird vermutlich nur der enragierte Sportfan ganz und gar überzeugt sein — wir müssen immerhin zugeben, daß dieses Projekt mit einer Frei- und Großzügigkeit angepackt wurde, die in der österreichischen Baugeschichte seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten ziemlich einzigartig ist. Man hat nämlich nicht nur einen Wettbewerb unter den bekanntesten österreichischen Architekten ausgeschrieben, sondern auch sehr namhafte Ausländer herangezogen, was auch dem Ansehen unserer Baukünstler im Ausland nicht schaden wird. Und außerdem hat man in Ausschreibung und Entscheidung recht nachdrücklich der neuartigen und ungewöhnlichen Lösung den Vorzug gegeben.

Der Oesterreicher Roland Rainer und der Finne Alva A a 11 o haben für ihre Entwürfe — offensichtlich zu Recht — die ersten Preise erhalten. A a 11 o s Projekt ist sicherlich da? Sensationellere: Es hat sich in Form und technischem Prinzip ein auf zwei ungleich hohen Masten aufgespanntes Zirkuszelt zum Vorbild genommen, das sich, unregelmäßig und in großartigen Kurven, aufbäumt wie eine versteinerte Welle. Zweifellos ein Werk, das des Beiwortes „genial“ würdig ist; doch wird die Jury ihre Gründe gehabt haben, als sie an der Tragfähigkeit der Dachhaut und an der Kompliziertheit der Spann- und Tragseile zweifelte. — Roland Rainer schlägt einen vergleichsweise niedrigen und symmetrischen Baublock vor, dessen nach innen abgeschrägte Schmalseiten die Baumasse leicht und fast graziös auf dem Untergrund auf siezen lassen; eine sanft nach innen schwingende obere Kontur gibt ihr gleichfalls einen unvermuteten wienerischen Schwung (wobei die Frage, ob die nach der Mitte zu niedriger werdende Decke den Innenraum nicht etwas bedrückend erscheinen lassen wird, offenbleiben muß).

Das letzte Wort soll zwar noch nicht gefallen sein, doch ist anzunehmen, daß der österreichische Architekt den Bauauftrag erhalten wird; und damit kann man sich, aller Einwände gegen das Vorhaben an sich unerachtet, wohl zufrieden geben.

Roland Rainer hat auch in einem anderen kleineren Wettbewerb einen ersten Preis erhalten —■ in einem Ausschreiben zur Erlangung von brauchbaren Entwürfen für evangelische Bet- und Gemeindehäuser nämlich, deren Ergebnisse im Rittersaal des niederösterreichischen Landhauses besichtigt werden können. Aber dort hat er ihn, wie uns scheint, weniger dank eigenem Verdienst als einfach deshalb erhalten, weil die anderen Entwürfe noch unwesentlicher und farbloser waren. Schade, daß dieser so dankenswerte Wettbewerb, der doch jeden Architekten seiner eigenartigen Probleme halber reizen sollte, nur diese Entwürfe hervorrief. (Ein Vorschlag Hubert Taperners schien uns insoferne bemerkenswert, als er eine aus der Schablone fallende Licht-führung zeigte.)

Ein bißchen kühler wird unsere Freude an den Schulschluß -Ausstellungen der Akademie für angewandte Kunst (Weiskirchnerstraße). Gewiß gibt's dort auch diesmal wieder viel Geschmackvolles und noch mehr „G'schmackiges“ 2u sehen, aber es wäre uns, offen gestanden, allmählich fast schon lieber, wenn wir da mehr Temperament und Experimentierfreude sähen, wenn der jeweilige Schul- und Klassenstil nicht immer so diszipliniert eingehalten und gepflegt würde oder — anderseits — das Handwerkliche dem Modischen mehr Konkurrenz machte. Nichts gegen den goldenen Mittelweg, an dem nicht zufällig die meisten guten Kunstschulen liegen. Aber ein gelegentlicher Abstecher ins Freie könnte nicht schaden ...

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