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Im Namen der Stillen...

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ZEIT UND WIEDERKEHR. Bilder aus Böhmen und Mähren. Von lan C e p. Ausgewählt und aus dem Tschechischen übertragen von Hanna und Peter Dtmeti. Herder-Verlag, Wien, 1962. 290 Seiten. Preis 86 S.

Wer einige Erfahrung mit Büchern hat, st bei Ubersetzungen eben heutzutage auf las Schlimmste gefaßt. Die Produzenten on Lebensmitteikonserven und alkoho-ischen Getränken sind direkt Skrupulanten m Vergleich mit den Verfälschungen, die la manche Verleger ihren Kunden zu-nuten. Mußte einen nicht der Schreck lacken bei der ersten Nachricht von einer leutschen Ausgabe des wohl angesehen-ten heutigen katholischen Autors aus höhnischen Landen? Schnell konnte man be-uhigt sein, sobald man die Namen der Ibersetzer erfahren hatte: hier war Liebe md Kenntnis verbunden, um eine genaue, ine angemessene Übersetzung zu verbür-;en. Auf die Übertragung selbst brauchen vir also — Gott sei gelobt! — kein wei-eres Wort zu verwenden und dürfen msere Aufmerksamkeit dem Autor widmen.

Wenn im vergangenen Jahr der 60. Ge-mrtstag Ceps zum Anlaß einer hohen läpstlichen Auszeichnung genommen vurde, dann spricht diese Tatsache unverkennbar von der Bedeutung des Autors, •in politischer Emigrant hat keine solche Itellung inne, die es rätlich erscheinen assen mag, eine Persönlichkeit des öffent-ichen Lebens zu ehren, um deren An-■änglichkeit zu erhalten oder erst zu geVinnen. Unter solchen Umständen wird mr ein „guter und getreuer Knecht“ der catholischen Sache geehrt... Grund ge-mg, dem deutschsprachigen Leser sein JVerk vorzuführen. In diesem Band sind licht etwa die Ansprachen und Essays, Jie religiösen Gedanken des Autors ver-ieutscht. sondern eine Auswahl aus ;einem Novellenschaffen.

Katholischer Roman... Es ist viel über iieses Thema geschrieben worden — zu-lächst über die Vorfrage, ob es denn iberhaupt katholische Eigenheiten in die-:em Fach geben solle? Nun, zwei katho-ische Züge sind bei Cep deutlich genug. Erstens das Negative: er hält sich fern von den zwei Extremen, die ein katho-ischer Geist zu vermeiden hat. Ein katho-ischer Schilderer wird sich nicht in die Abgründe hoffnungslosen Ekels und men-ichenunwürdiger Scheußlichkeit stürzen, üe im atomischen Zeitalter eine so auffallende Anziehungskraft ausüben; er wird nicht die „Reise an das Ende der Nacht“ über endlose Räume von Exkrementen gehen. Doch ebensowenig wird er sonnige, wonnige, Freie, siindlose, zur Sünde un-tähige, gegen Unglück gefeite Helden und Heldinnen zu fingieren bereit sein. Ob der rosige Schein um die Courths-Mahlersche Gartenlaube oder um den Traktor des sozialistischen Realismus spielt — ganz gleich, in diesem Licht sieht der katholische Autor seine Gestalten nicht. So auch Cep: seine Menschen sind eben Menschen — geboren zum Leid, und auch zur Hoffnung. Und nun zweitens das Positive.

Nicht umsonst ist Cep in Mähren aufgewachsen — in dem Land böhmischer Zunge, in dem die katholische Kirche immer Volkskirche war: der mährische Katholik braucht nicht erst, wie sein Bruder in Böhmen, die romantische Sehnsucht nach den taboritischen Schlachtgesängen, den siegreichen Kelchesfahnen von Aussig und Taus in sich zu unterdrücken! Doppelt festgewurzelt ist also die Glaubenswelt des Bauern, um dessen Haus und Hol die Schilderung Ceps kreist.

Lesen wir hier nostalgische Bauernromane, liebevoll bewahrte Folklore? Acl nein, diese Novellen sind nur allzu aktuell Da ist vor allem die mit Recht berühmteste Erzählung: die Zigeuner. Ihr Therm ist erst recht bezeichnend für unserer Autor. Doch da müssen wir ein paar einleitende Worte vorausschicken.

Das zwanzigste Jahrhundert mußte eir neues Wort für einen neuen Tatbestanc schaffen: den „Genozid“. Es wurde üblich Völker auszurotten: Araukanier und Ar menier, Donauschwaben und Pomaken Zigeuner und Tschetschenzen. Die Folgei aber waren verschiedene. Manchmal is; den Nutznießern des Genozids diese kanni baiische Kost wohl bekommen. In einen Falle hingegen — auf den sich allerding alte Vorhersagen bezogen — geschah Er staunliches: das Land, aus dem die Morde ausgezogen waren, wurde buchstäblich ir Stücke gerissen. Und da die Ermordetei Brüder in fernen Landen hatten, schwiei man nicht über diese Geschehnisse um ihre Folgen. Und obwohl man hätte mei nen sollen, daß es nicht leicht sei, übe solches zu reden, und vollends unmöglich es darzustellen, war das kein Hindernis sondern es eilten die Leute vom Theate und Film herbei; sie machten ein Schau spiel aus dem Tagebuch der Anne Fran und drehten einen Film nach dem unzu treffenden Roman „Exodus“. Und ei jeder zeigte sein Interesse für die Juder die nicht mehr da sind. Nicht so Cep er schrieb eine Episode aus dem Vei schwinden der Zigeuner ...

Müssen wir es eigens sagen, daß Ce nicht schweigt, wenn die eigenen niel nut — wie damals — müßige Zuschaue sondern auch Genossen von Verbrecher

sind? Wir haben es ja schon ausgesprochen: Cep ist ein Sprecher der katholischen Emigration. Er gehört zu denen, die für ihr freies Wort den Preis des Weiterlebens in der Fremde zahlen; zu denen, die sprechen im Namen der Stillen, der Schweigenden jenseits der Mauer. — Und daher ist zu sagen, daß Cep zu den Autoren gehört, die — so wie hier geschehen — ihre Arbeiten aus verschiedenen Jahrzehnten nebeneinander drucken lassen und die Jahreszahlen danebensetzen lassen können: es mag Staatspreisträger geben, denen Ähnliches nicht lieb wäre. Und so gehört er denn auch zu denen, die die Muttersprache in Freiheit pflegen — mit all dem ländlichen Naturlaut, der seinen Stil so deutlich unterscheidet von dem Gerassel des städtischen Pflasters. Auch dieses nämlich ist eine Aufgabe der freien Schrift-

steiler. Wir sind weit entfernt zu behaupten, da6 man nichr auch zu Hause noch gut schreiben kann! Und wir gehen sogar so weit, zu sagen, daß uns manche neue Wortschöpfungen der CSSR gelungen scheinen.

„Doch was im einzelnen Lot gesund, davon tötet den Menschen ein ganzes Pfund“,

so sagt doch wohl Criilparzer; und dies gilt für die russifizierten Neologismen der heutigen Sprache in Böhmen. Da müssen wir Gott danken, daß es auch freie Autoren gibt, und müssen ihnen wünschen, noch lange unermüdet zu wirken. Dem entspricht aber auch unser Dank für die, welche ihre Arbeit den Völkern der freien Welt zu vermitteln bereit sind!

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