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Im Salzkammergut geht's rund
Die sommerfrische beflügelte die Kreativität der Künstler. Heute gastieren Philharmoniker, Staatsopernballett und Burgschauspieler.
Die sommerfrische beflügelte die Kreativität der Künstler. Heute gastieren Philharmoniker, Staatsopernballett und Burgschauspieler.
Ein kleines Osterreich, eine „Insel der Seligen” sah Wilhelm Kienzl in Aussee, Eduard Bauern-feld nannte die Gegend ein „Zauberland”. Der Ballungsraum der Literatur und Musik und macht - wo immer er kann -auf seine Musen und Genien aufmerksam. Wer auf der „Via artis” von den „üblichen, neckischen Gebirgs-schauern” (Ludwig Gabillon) überrascht wird, dem bietet sich Theater von Felix Mitterer im Schaubergwerk Altaussee an. Klaus Maria Brandauer inszeniert mit Studenten des Reinhardt-Seminars.
Sommerfrische bedeutete in der Muße die Kreativität entfalten. Johannes Brahms lustwandelte zehn Jahre lang während der Sommermonate in Bad Ischl und traf die ferne Freundin Clara Schumann. Ein Brahms-Vereh-rer, der Budapester Ladislaus von Wagner, weihte seine Villa mit den Klängen einer Brahms'schen Uraufführung ein. Brahms selbst spielte Klavier. Unter den Zuhörern waren Carl Goldmark und der Kritiker Eduard von Hanslick.
Wilhelm Kienzl komponierte hier nicht nur seinen wunschkonzertgeschädigten „Evangelimann”. Richard
Strauss flanierte mit Hugo von Hofmannsthal und hinterließ 1918 der Villa Hellmann ein Autograph, ein Lied aus dem „Krämerspiegel”. 1927 befand sich Paul Hindemith auf dem Höhepunkt seiner Karriere und auf Sommerfrische in Aussee. Er traf da mit Egon Wellesz zusammen, beide ahnten nicht ihr baldiges Schicksal der Verfemung. Aussee war in den dreißiger Jahren das Idyll, das das heraufdräuende Unglück vergessen machte, und es wurde die Aufhebung der Emigration, wenigstens für die Sommerwochen.
Ferdinand Raimund, den manch ein österreichischer Ort als Genius loci beansprucht, wurzelt - so meint jedenfalls das „Gabillomer Ensemble” - im Grundlsee. So schallt heuer von der Seeuferpawlatschen im Glaswinkel: „Brüderlein fein, Brüderlein fein” -unter anderem mit Günter Nenning und Therese Lohner.
Unter dem Ehrenschutz Gottfried von Einems hat Romuald Pekny zusammen mit Adelheid Picha den Ausseer Kultursommer begründet. Die beiden Schauspieler leihen verstorbenen Kollegen ihre Stimmen: Josef Kainz oder dem Ehepaar Gabillon. Die Gabillons, Sommerpioniere am Grundlsee, „dem schönsten See der Welt” erbauten schon 1875 ihr Haus. Nach dem Umzug des alten Burgtheaters 1888 ins neue Haus am Ring wurden die Drahtgitter des eisernen Vorhanges zu Balkongittern in ihrem Blockhaus.
Im Salon des Mecklenburgers Ludwig und der getauften Jüdin Zerline Gabillon gingen Fanny Elßler, Katharina Schratt und die Musikerfamilie Hellmesberger ein und aus, Peter Bosegger und Ferdinand von Saar. Ins Gästebuch der Gabillons schrieb Hans Makart: „Nach Künstler Art / ist Hans Makart / über den See geschwommen, / Plötzlich angekommen.” Im Gabillonhaus verbrachte Elisabeth Neumann die Sommer mit ihrem Mann Berthold Viertel. Es ist ein Treffpunkt geblieben, in dem Erwin Ringel einmal ausgerufen hat: „Spiel Operette, das löst uns!”
In Aussee gibt es nicht nur Sommerfrischler. Für den 1994 verstorbenen Komponisten Hermann Markus Pressl war Aussee Heimat nach langen Lebenswanderungen, die er in sein Werk, wie die afghanisch beeinflußte „Drangiana”, einflocht.
Die einstige Tradition der Festwochen der Musikstudierenden, 1947 in Aussee begründet, nahmen die Wiener Philharmoniker mit ihrem Internationalen Orchesterinstitut Attergau wieder auf. 50 Kilometer von Salzburg entfernt, gibt es in St. Georgen, Straß, Berg und Seewalchen
Konzerte mit jungen Künstlern und ihren - trotz Festspiele nimmermüden - philharmonischen Lehrern, dazwischen Schrammelmusik mit Roland Neuwirth oder Walter Berry. Was 1981 mit zwei Konzerten begann und 500 Besucher anzog, hat sich 1995 auf 14 Veranstaltungen erhöht, mit jeweils bis zu tausend Besuchern.
In Schloß Ebenzweier am Traun -see trafen sich Franz Schubert, Nikolaus Lenau und Budolf von Alt. Jetzt spielt da im Bahmen der Festwochen in Gmunden Christian Altenburger Mozart. Da, wo sich die Liebesgeschichte des Erzherzogs Johann Sal-vator mit der Tänzerin Ludmilla Strubel ereignete, erklingt Musik von Edward Elgar, Hector Berlioz und Sergej Prokofieff: im Seeschloß Orth.
„Wie lang ist noch bis zum Anfang der verfluchten Kurmusik?”, fragte Gustav Mahler völlig entnervt von den ihn auf Schritt und Tritt in seiner gedanklichen Einsamkeit störenden Sommergästen. Er sehnte sich nach Beethovens Taubheit „die ihm, wenn auch unter tausend Schmerzen das ganze zerstreuende und leere Treiben der Welt verschloß”. Und kam niemals wieder. „Jetzt kommen die letzten Tage und ein ungeheurer Jammer faßt mich an”, verabschiedete sich Ludwig Gabillon vor der Heimkehr in die Stadt.
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