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ROT-WEISS-ROT ist nicht, mehr. Die Tages-Zeitungen haben diesem Sender ergreifende Nachrufe gewidmet und sich (so groß war der Abschiedsschmerz) zuweilen in eine richtige Rot-Weiß-Rot Hysterie hineingeredet. Inzwischen hat sich der Oesterreichische Rundfunk — leider anscheinend nur widerwillig und zögernd — entschlossen, die beliebtesten Sendungen zu übernehmen, die Angestellten von Rot-Weiß-Rot in seinen Apparat einzubauen und für die freien Mitarbeiter das Budget zu erhöhen, um möglichst allen Wünschen Rechnung zu tragen. Mehr kann man nun wirklich nicht verlangen (es sei denn ein ansprechendes Programm). So viel aber über Rot-Weiß-Rot gesprochen wurde, so wenig wurde in diesen Tagen über die anderen Institutionen gesprochen, die wir dem amerikanischen Element in Oesterreich zu danken haben: einmal die modern gestaltete Zeitschrift „Kontinente“ (früher „Erziehung“), dann die Unternehmen des Amerikahauses (mit ihrem Lesesaal, ihrer Leihbibliothek und dem Fenster „Schöpferisches Oesterreich“), die Veranstaltungen im Kosmostheater und das Seminar im Schloß Leopoldskron. Es ist zu hoffen, das wenigstens die eine oder andere dieser Institutionen erhalten bleibt, denn auch sie haben sich in den letzten Jahren viele Freunde erworben.

“WIR möchten es fast nicht glauben“,“ schreibt “ eine Wiener Tageszeitung, „und sehen in der Spielplanpolitik wie in der Bewertung heimischer Schauspielertalente bei den Wiener Theaterdirektoren eine Taktik der Geringschätzung als Pendelausschlag zur Ueberwertung alles dessen, ,was von auswärts und möglichst aus Uebersee kommt. Aber die Kraftmitte des Dramas, das Herz der Bühnenkunst, liegt immer noch in Europa und nicht zuletzt in Oesterreich.“ Der Herr, der das schreibt, dürfte von vorgestern sein und sich noch der Zeiten eines Grillparzer, Nestroy und Raimund erinnern; oder er ist von gestern und hat Reminiszenzen an die Tage Hofmannsthals, Schnitzlers, Bahrs, Was ist es, das er nicht glauben will? Daß dem Wiener Volkstheater „kein neuer österreichischer Dramatiker, kein brauchbares Stück aus dem Kraftfeld theaterwirksamer Talente unserer Heimat geboten“ wurde. Wir glauben das gerne; denn wir wissen, wie dringend die Theaterdirektoren nach dramatischen Talenten suchen und wie gerne sie auch jungen Autoren eine Chance geben. Gerade das Volkstheater hat das mit der Aufführung von Klingers „Odysseus muß wieder reisen“ in der abgelaufenen Saison bewiesen. Oesterreich hat eben heute außer Brückner, Cso-kor, Hochwälder und Lernet-Holenia in der älteren, Bayr, Kühnelt, Klinger und Zusanek in der jüngeren Generation keine Dramatiker zur Verfügung, die regelmäßig Stücke schreiben oder über lokale Bedeutung, hinausragen. Das mag bedauerlich sein; aber es ist so. Wir können es keinem Theater verargen, wenn es keinen Becsi oder Krecsi spielen will Und wir erlauben uns, das einmal festzustellen, auch auf die Gefahr hin, damit zu behaupten, daß die Bühnenkunst heute ihr Herz nicht mehr am rechten Fleck hat, um in der verschnörkelten Ausdrucksweise des- zitierten Spielplankritikers zu schließen.

WISCHEN Goebbels und Grotewohl hat sich „Der Eckartsbote“ angesiedelt; zumindest was seinen Jargon in Fragen der bildenden Kunst betrifft. Da spricht er von „raffiniert primitiven Gehirnkonstruktionen, die uns die .Wiener Illustrierte' und die .Weltpresse' als Kunst einreden wollen“; da versucht ein Wiener Mitarbeiter unter dem Titel „Volkstum und hohe Kunst“ eine seltsame Unterscheidung zwischen volkstümlicher und hoher Kunst (was ist das, hohe Kunst?); da setzt ein Karl Norbert Mrasek aus Darmstadt die dort stattgefundene repräsentative Ausstellung der Wiener Secession (nicht der „Oesterreichischen Sezession“, wie er irrtümlich angibt, eine solche gibt es nicht) herab und ereifert sich über ..... wirre Kreise und Quadrate oder ... verbogene Drahtgeflechte ... Anmaßung und Ueberheblichkeit ...“ Nun, die Anmaßung und die Ueberheblichkeit liegen - selten beim schaffenden Künstler, sondern meist nur bei dem, der über ihre Werke spricht, ohne etwas davon zu verstehen (man merkt es am Jargon). Ob er nun Goebbels, Grotewohl oder Eckartsbote heißt ...

NUN filmen sie wieder! Zum x-ten Male wird das kurze Leben Kronprinz Rudolfs und sein dunkles Ende auf die Leinwand gebannt. Zum x-ten Male wird damit wieder der Historia Gewalt angetan. Diesmal, wie es angekündigt ist, „nach neuen Forschungsergebnissen“, die wahrscheinlich dem Dunkelkammergehirn eines findigen Drehbuchautors und nicht vergilbten Briefschaften oder Protokollen entsprungen sind. Alle, die mit der Affäre in irgendeinem Zusammenhang gestanden waren, wurden zu unverbrüchlichem Schweigen verpflichtet. Und alle, ob Adelige oder Lakaien, ob Beamte oder lagdhüter.. haben dieses Geheimnis mit ins Grab genommen, obwohl sie nach 19T8 keine Strafe mehr bedrohte' und es an materiellen Verlockungen nicht gefehlt haben mag. Hier hat die alte, dem Habsburgerhofe innewohnende Schweigedisziplin noch einmal Unübertreffliches geleistet Mag es auch der Historiker vielleicht bedauern, so kann uns doch die unerschütterliche Treue und Verschwiegenheit jener Mähner, der Hochgestellten und mehr noch der Dienenden, in dieser lauten und geschwätzigen Zeit ein Trost sein. Und deshalb wird man immer sagen müssen: 'Aus Mayerling nichts Neues!

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