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In memoriam: Konzert und Parsifal

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Zum Andenken an den in München am 25. Oktober verstorbenen großen Dirigenten Hans Knappertsbusch veranstalteten die Wiener Philharmoniker am vergangenen Sonntag eine Trauerfeier, die auch durch den österreichischen Rundfunk übertragen wurde. Unter der Leitung von Georg Solti spielte das Orchester, dem Hans Knappertsbusch besonders verbunden und dessen Ehrenmitglied er war, die Trauermusik aus der „Götterdämmerung“ und das Adagio aus Bruckners VII. Symphonie. Worte des Gedenkens sprach der Vorstand der Philharmoniker, Professor Otto Strasser.

Am Abend des gleichen Tages spielte dasselbe Orchester in der Oper — mit der Knappertsbusch seit Kriegsende wesentlich weniger eng verbunden war — die „Par-sifal-Musik“. Es war sinnvoll, das Andenken von Hans Knappertsbusch mit Werken von Richard Wagner zu ehren. Denn der Elberfelder Fabrikantensohn, den es trotz härtesten Widerstandes von seiten der Familie, besonders des Vaters, zur Musik zog, arbeitete in Bonn als Couleurstudent an einer Dissertation „Über das Wesen der Kundry in Wagners ,Parsifal'“. Mit Wagner begann auch Knappertsbuschs Karriere: in seiner Heimatstadt, wo er zunächst ohne Gage dirigierte, sprang er bei einer „Meistersinger-Aufführung für den erkrankten Dirigenten ein, bald darnach durfte er den 3. Akt „Parsifal dirigieren“, und sein erstes Auslandsgastspiel absolvierte er im Rahmen von Wagner-Festspielen in Holland. Die weiteren Stationen sind bekannt und hießen: Dessau, München, Wien, Berlin _ und immer wieder Bayreuth, dessen neubegründete Festspiele er im Jahr 1951 eröffnen durfte. Der wenig Mitteilsame hat oft betont und bekannt, daß er der Kunst Wagners das meiste und das beste in seinem Leben verdanke. — Das spürten die Künstler, und sie dankten es ihm mit unvergleichlichen Leistungen: auf der Bühne und im Orchester.

Mit dem, was am vergangenen Sonntag unter Leopold Ludwigs Leitung erklang, wäre Hans Knappertsbusch wahrscheinlich weitgehend einverstanden gewesen, und am luxuriösen Streicherklang wie an einigen zauberischen Bläserakkorden hätte er seine helle Freude gehabt (an den Glocken, die mit ihrem sonoren Dröhnen die Verwandlungsmusik im 1. Akt begleiten und an diesem Abend um einen guten Viertelton zu tief klangen, weniger; im 3. Akt war's dann gerichtet, das heißt, das Tonband lief auf richtigen Touren). Auch die Besetzung war dem Anlaß entsprechend würdig, ja glanzvoll: Hans Beirer als Parsifal, Hans Hotter — Grunemanz, Eberhard Wächter — Amfortas, Astrid Varnay — Kundry, Zoltan Kelemen — Klinsor und Tugomir Franc — Titurel. Aber diese Inszenierung! Damals, nach der Premiere im April 1961, schloß die Kritik in der „Furche mit den Worten: „So bleibt, von Anfang bis zum Ende, unser Wunsch: mehr Licht! Wir würden uns heute, nachdem wir in der Zwischenzeit so viel Besseres gesehen haben, zum Beispiel Wieland Wagners „Tann-häuser-Inszenierung, hüten, diesen Wunsch zu wiederholen. Denn mit Licht allein ist diese Inszenierung

(Karajan und die Herren Wendel und Walter aus Wuppertal) nicht zu retten. Die Absurditäten beginnen mit dem ersten Auftritt Parsifals, der, wie ein junger Siegfried von Anno 1900 gewandet, auf die Bühne stürmt und dem der getötete Schwan wie ein weißgekleideter Täufling nachgetragen wird, bis zur Erscheinung Kundrys, der „Höllenrose, die wie eine Königin der Nacht im rötlich-schmutzigblauen Himmel schwebt. Die Gralsritter als Kapuzenmänner, die Blumenmädchen teils bodenturnend, teils wie zu früh entlassene Mary-Wigman-Schülerin-nen, von denen sich Parsifal begreiflicherweise enttäuscht abwendet — eine groteske Szene reiht sich an die andere bis zum Kulminationspunkt in der profanierten Abendmahlszeremonie. Das Dunkel ist gerade licht genug, um alle diese Peinlichkeiten erkennen zu lassen. Ansonsten stiftet es lähmende Langeweile. So bleibt, nach mühsam überständenen fünf Stunden, nur die Erinnerung an die herrliche Musik und der dringende Wunsch, Wagners Bühnenweihfestspiel — das keineswegs als szenisches Oratorium konzipiert wurde — in dieser Gestaltung nie mehr zu begegnen.

Was wohl Hans Knappertsbusch zu dieser Inszenierung gesagt hätte? Man kann es sich ungefähr denken. Es wäre wahrscheinlich nicht zur Wklergabe im Druck geeignet gewesen ...

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