6570925-1950_19_15.jpg
Digital In Arbeit

Dirigentenprofile

Werbung
Werbung
Werbung

Unter den Orchesterleitern, die während der letzten Wodien an das Pult des Musikvereins traten, war P a u 1 K1 e c k i der interessanteste und erfolgreichste. Der etwa 50jährige Pole fand in der Schweiz eine neue Heimat und wirkt seit 1945, ohne Bindung an ein bestimmtes Cvchester, als Konzertdirigent, hauptsächlich in Westeuropa. Bei dem Programm, welches Klecki in Wien absolvierte (Mahlers Erste und Beethovens Achte im Zyklus „Die große Symphonie“) zeigten sich die Qualitäten des Gastes in hellem Licht, ohne daß auf Grund dieser beiden Werke ein abschließendes Urteil möglich wäre. — Klecki ist ein Freund intensiver Proben und hat es nicht gern, wenn ihm deren Zahl vorgeschrieben wird und wann er auf die Uhr schauen muß.-Zwischen dem Typus des Improvisators und dem des Drilldirigenten erscheint Klecki als der Mann einer noblen Akkuratesse. Alles Rhythmische kommt sehr exakt, und die Transparenz des von ihm genau abschattierten Orchesterklanges ist kaum zu überbieten. Kleckis Zeichengebung ist einfach und zweckmäßig. Seine Augen sind hell-wach über dam Orchester, und im Allegretto der Achten lenkte er das Orchester mit diesen allein. Auch die stärksten dynamischen und expressiven Wirkungen erreicht Klecki ohne „Magie“. — Zwei kleine sympathische Züge zum Schluß: die Partitur liegt aufgeschlagen vor dem Dirigenten, aber er schaut nicht hinein, weil er sie nicht braucht (was er aber nicht demonstrieren will, indem er ganz ohne Partitur dirigiert!). Und Klecki nimmt für sich allein keinen Applaus entgegen, sondern lenkt diesen immer auf das Orchester, dem er allerdings bei den Proben nichts schenkt.

Eugen Jochum ist der Vollblutmusiker ohne Pose, ohne den Ehrgeiz, zu faszinieren, zuweilen freilich auch ohne den zur höchsten Anspannung und exaktesten Ausführung. Die breiten Flächen, die großen klangprächtigen Steigerungen und die weitgeschwungenen melodischen Linien Bruckners gelingen ihm auf die natürlichste Weise, anscheinend ohne besondere Kunstgriffe. (Bei der Eröffnung der Kulturtage christlichen Geistes dirigierte Jochum Bruckners Neunte; in def Staatsoper hörten wir eine „Tristan'-Aufführung unter seiner Leitung: ohne Überhitzung, mit besonders schönen lyrischen Partien im zweiten Akt). — In München und im deutschen Rundfunk dirigiert Jochum auch neue Musik. Wir bitten ihn, uns für sein nächstes Konzert ein repräsentatives Werk eines jungen deutschen Komponisten mitzubringen.

Seit vielen Jahren kennen wir Hans Knappertsbusch als den genialen Improvisator, der zu demonstrieren liebt, daß ein Tempo nichts Absolutes ist, sondern die richtige Relation zwischen dem Bewegungsablauf und der Kraft des Expressivo. Manchmal gelingt dieser Nachweis. Knappertsbusch ist vielleicht die ursprünglichste Dirigierbegabung, und ihm zuzusehen ist ein abwechslungsreiches Vergnügen. Nicht immer kommt das kritische Ohr mit allen Eskapaden seines Dirigenten mit, denn anstrengende Pro. ben scheinen seine Sache nicht zu sein, und so muß man bei manchen Details Fünf gerade sein lassen. Charakteristisch ist das unvermittelte Anfangen, ohne jede Vorbereitung, zuweilen mitten in den Begrüßungsapplaus hinein. Der Dirigent scheint zu meinen: nach den ersten Takten werden wir uns schon irgendwie finden ... I Am Pult repräsentiert Knappertsbusch die vollendete Sicherheit und Sorglosigkeit. Denn er kennt seine Musiker und weiß, was er ihnen zumuten kann. Daher gelingen ihm vor allem jene Werke, die er im kleinen Finger hat. (Im 7, Philharmonischen Abannementskonzert bildete den Höhepunkt die'V. Symphonie von Dvofak, der die Ouvertüre zum „Barbier von Bagdad“ von Cornelius und Salmhofers Symphonie in C vorausgegangen waren. Im letzten Koneert des Orchesterzyklus der Konzerthausgesellschaft leitete Knappertsbusch eine Aufführung der VIII. Symphonie von Bruckner.) — Für neue Musik im engeren Sinn scheint sich Knappertsbusch nicht — odej nicht mehr — zu Interessieren. Das ist schade. Aber man soll vom Apfelbaum keine Feigen verlangen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung