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Neue österreichische Musik im alten Jahr

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Daß man zutiefst im klassisch-romantischen Erbe wurzeln und dennoch einen sehr charakteristischen Eigenstil ausbilden kann — ohne die Mode des Ba- rockisierens oder der Dodekaphonik mitzumachen, erweist mit seinem gesamten kompositorischen Werk Ernst Toch (Jahrgang 18 87), dessen beide Symphonien wir vor einigen Jahren hörten. Bereits in seinen frühen Klavierwerken, den „Burlesken“ und „Capric- cetti“ (die allen ambitionierten jungen Pianisten ans Herz gelegt seien) hatte er einen sehr gepflegten filigranen Stil entwickelt. Tochs letztes Klavierwerk, eine Reihe mitteilanger Charakterstücke, die er „Profile" nennt, bezeugt, daß er seiner Eigenart treu geblieben ist (hier braucht es keine „Entwicklung“!). Ganz anders Emst K r e n e k, der vor etwa zwanzig Jahren die Zwölftonmontur angelegt hat und seither, in angestrengtem Training, um einen immer freieren Ausdruck in der neuen Sprache ringt. In der 5. Klavier Sonate ist dies weitgehend gelungen, die einzelnen Sätze halten tatsächlich, was die Untertitel versprechen. Das Allegretto ist „con grazia“, das Andante „appassionato“ und der Schlußsatz ein auch pianistisch brillantes „Rondo“. Das eindrucksstarke Werk ist der jungen, hochmusikalischen amerikanischen Pianistin Charlotte Z e 1 k a gewidmet, die es in einem Studiokonzert der „Internationalen Gesellschaft für Neue Musik" in der Akademie spielte. Im ersten Teil des Programms hörten wir noch ein „Quaderno musicale“ von Luigi Dallapiccola, dem 1904 geborenen italienischen Zwölftonkomponisten, der in den elf Sätzen dieser Klaviersuite beweist, daß man auch irr der Sprache der Dodekaphonik scharfe „Accenti“ und ..Ritmi" setzen und sowohl „Colore“ als auch „Online“ nachzeichnen kann.

Charlotte Zelka interpretierte die einzelnen Sätze dieser überaus Schwierigen Werke mit Zartheit und männlicher Kraft, je nachdem was die einzelnen Sätze erfordern. Neben einem unfehlbaren Gedächtnis (sämtliche Werke wurden auswendig gespielt) und einer brillanten Technik fiel besonders der geradezu raffinierte Pedalgebrauch auf. Das umfangreiche moderne Repertoire der jungen Amerikanerin verdient die-Aufmerksamkeit der Konzertveranstalter und der Musikabteilüngen unserer Rundfunksender.

Das erste Konzert des von der Gesellschaft der Musikfreunde veranstalteten Zyklus „Oesterreichi- sches Musikschaffen der Gegenwart“ wurde mit einer „Sinfonia“ vön Paül Angerer (Jahrgang 1927) eingeleitet. Das etwa 20 Minuten dauernde fünfteilige Werk hieß ursprünglich „Musik für Orchester“. Das ist der passendere Titel, denn man kann sich gut vorstellen, daß diese Partitur ohne Kenntnis der symphonischen Literatur des 19. Jahrhunderts geschrieben wurde. Dramatik, Pathos und unmittelbar ausgedrücktes Gefühl wird man bei Angerer vergeblich suchen, wohl aber Bewegung, Akzente, Kontraste rein musikalischer Art. Während man sich bei den raschen Sätzen auch gut divertiert, wirken die getragenen noch etwas spröd. — Das 3. Klavierkonzert von Norbert S p r o n g 1 (geb. 1892) mit der traditionellen Satzfolge schnell — langsam — schnell wurzelt im Impressionismus, ist farbig instrumentiert und zeigt gute thematische Einfälle. Neben recht gelungenen Stellen, die zuweilen einen exotischen Reiz haben, stehen mattere, und der Gesamteindruck wird durch eine gewisse Breite und Redseligkeit beeinträchtigt. Gottfried v. E i n e m s „Orchestermusik" op. 9 hörten wir zum ersten Male beim 2. Internationalen Musikfest von 1948. Das knapp geformte Werk, kühl in der Anlage und leidenschaftlich in der Aussage, hat einen düsteren Charakter und .zeigt alle jene Qualitäten, auf denen die Wirkung Einems beruht: originelle Farbigkeit des Klanges und rhythmische Durchschlagskraft. Heinrich H o 11 r e i s e r und die Wiener Symphoniker blieben den einzelnen Stücken nichts schuldig. Als letztes Werk standen die „Vier Capricen“ von Alfred llhl auf dem Programm. Da sich der Komponist von dieser bereits vor zehn Jahren geschriebenen Partitur distanzierte und der

Aufführung demonstrativ fernblieb, fügt, sich der Kritiker (im Unterschied zu den Veranstaltern) dem Veto des Autors und verzichtet auf ein Votum.

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