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Jedes Wort ändert die Stimmung

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Ich komme aus der Bukowina -von wo auch Herr Holender kommt” - legt Adriana Hölszky ihre Beziehung zu Wien dar. Wien ist ein guter Platz für Adriana Hölszky -ihre Oper „Bremer Freiheit” wurde ein Jahr nach der Uraufführung bei der Münchener Biennale auch bei den Wiener Festwochen 1989 ein großer Erfolg und machte sie zu einer anerkannten Opemkomponistin.

In dem an Uraufführungen armen Leben der Wiener Staatsoper hat gerade sie die I^hre einer solchen errungen. Als Stoff hat Hölszky ein selten aufgeführtes Stück des französischen Dichters Jean Genet gewählt: „Les paravents” - „Die Wände”. „Oberflächlich betrachtet ist der Stoff der Oper sehr ordinär, es ist eine Welt des Todes auf der Bühne. Die Personen sagen Dinge, die sie im Leben nicht sagen würden. Die Musik macht den Stoff weicher”, sagt Hölszky.

„Das, was man macht, muß verboten sein”, sagt die Rumänien-Deutsche, die 1976 mit ihrer Familie nach Deutschland kam. Kunst machen ist, „als ob du ein Verbrechen begehst. Meine Figuren sind Kräfte, keine Menschen”. Das Stück, vom Libretti-sten Thomas Körner in Bildern und Personen reduziert, ist eine Parabel von der existentiellen Isoliertheit, Klangparavents trennen die Personen. Der Chor sind die Wände, die Solisten singen belcanto aneinander vorbei. Komponieren ist die Suche nach der Klangfarbe, die Frau Hölsz-ky seit ihrer Mädchenzeit nicht losläßt.

So wie Wände eine mehrdeutige Funktion haben, mehr oder weniger durchlässig sind, agiert der Chor mit 36 Vokalisten. Dazu 18 Sänger auf der Bühne, 20 Instrumentalisten und ein Zuspielband. Die Partitur, die jede einzelne Stimme notiert, hat Übergröße. Adriana Hölszky hat in ihrer Kompositionsweise auf mittelalterliche Traditionenzurückgegriffen. Die Musik des Abendlandes begann gesungen, von Instrumenten nur unterstützt. So muß der Chor viel mehr als singen. „Man muß nicht immer begleiten”, sagt Frau Hölszky und wirft Traditionen wie accompagnato und Wagner-Chöre, von zirpenden Geigen begleitet, um.

Ihr Lieblingskomponist ist Schubert, der Sängerkomponist: „Er komponierte mühelos, er ist mittendrin in der Zeit, das heißt in der Zeitlosigkeit, also in der Ewigkeit.”

Adriana Hölszky verhalf zu ihrer Karriere auch der richtige Griff auf dramaturgisch interessante Texte, von Beinhold Lenz und Gottfried Benn, von Michelangelo und Ingeborg Bachmann. „Ein Text soll mehrdeutig sein, nicht schwarz oder weiß, seine Handlung nicht vorhersehbar, sondern in vielen farbigen Schattierungen. All das fand ich in Fassbinders Buch zur ,Bremer Freiheit'. Seine Mutter hat mir lange nach seinem 'Tod gesagt, daß er das Bedürfnis nach Musik empfand.”

„Bei Oper ist man gewöhnt, daß ein Zustand über längere Zeit gesungen wird. Bei mir ändert sich - ähnlich wie in einem Kriminalfilm - mit jedem Wort die Stimmung. Die Sänger müssen von Augenblick zu Augenblick ihre Einstellung wechseln.” Adriana Hölszky ist seit einigen Wochen in Wien, betreut die Proben mit. Sie muß Überzeugungsarbeit bei den Mitwirkenden leisten, die vom Klang allein keinen Zugang finden.

„Eine Sängerin wollte keine Hure spielen und argumentierte: ich bin katholisch. Ich antwortete: ich bin auch katholisch, aber ich kann trotzdem eine Hure spielen.” Erst durch das Nahebringen des Charakters kommt der Klang in der Stimme, den sich die Komponistin wünscht. Aber: „Ich will kein opernhaftes jämmerliches Sprechen.” Traditionen, Schulen ignoriert sie: „Ich bin völlig auf mich allein gestellt. Es geht nicht anders - seit es keine Normen mehr gibt.” Geht sie auf das Publikum ein? „Überhaupt nicht.”

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