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Kleine Kostbarkeiten

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Es sind durchaus nicht immer die großen und lautstark angekündigten Filme, die unsere besondere Aufmerksamkeit verdienen, sondern auch kleine Streifen — selten allerdings — lassen uns manchmal aufmerken und erkennen, daß ein wirkliches Kunstwerk durchaus nicht von Länge und Breite und Aufwand abhängig ist. Entscheidend für den Wert ist immer die Echtheit des Themas und die künstlerische Kraft seiner Durchführung. Der kurze Streifen des jungen litauischen Filmkünstlers Michail Bogin, „Wir ztoei“, ist, obwohl ein Erstlingswerk und von nicht viel mehr als einer halben Stunde Dauer, eine filmische Kostbarkeit von bezaubernder Poesie. Ein junger Medizinstudent spricht ein hübsches Mädchen an, das aber achtlos weitergeht. Ein wenig gekränkt aber auch weiterhin interessiert erfährt er schließlich, daß es infolge entsetzlicher Kriegsereignisse taubstumm geworden ist. Er läßt sich nicht abschrek-ken, und zwischen den beiden beginnt eine echte und beglückende Liebe aufzukeimen. Es ist eine ganz einfache Geschichte, ein Stück Leben voll liebender Güte, weitab von jeder modischen Verkrampftheit, aber von befreiender Kraft. Fast erstaunt stellt man fest, daß das einfache, alltägliche Leben voll zauberhafter Poesie sein kann, wenn man es so tief betrachtet, wie dieser junge litauische Regisseur und sein kongenialer Kameramann.

Regisseur A. Scherbjurtas ist Este und erzählt die Geschichte „Das Mädchen und das Echo“. Es ist der letzte Ferientag des kleinen Mädchens Wika und gleichzeitig auch ein Abschied von der Kindheit durch die ersten bitteren Enttäuschungen, durch Verrat an der von ihr ehrlich gemeinten Freundschaft. Vielleicht fehlt dem begabten Regisseur noch das richtige Maß für die dramaturgische Ökonomie, ein paar Längen machen sich bemerkbar, aber trotzdem besticht die menschliche Wärme, die leise Melancholie, mit der nicht nur die seelischen Vorgänge eingefangen werden, sondern auch die Natur der Landschaft. Fern jeder kindischen Sentimentalität schildert der Film die Herzen von Kindern, ihre Zartheit und ihre Kraft, an den Widrigkeiten zu reifen. Dem Wiener Burg-Kino sei gedankt für diese filmischen Kostbarkeiten, die damit auch dem heimischen Publikum erschlossen wurden.

Johann Strauß, Vater und Sohn, Wien und der Walzer sind eine bewährte Fundgrube für Filmproduzenten. Auch der kürzlich verstorbene Altmeister Walt Disney, der in aller Welt Stoffe für seine Produktionen zusammensuchte, erkannte die geschäftlichen Möglichkeiten einer solchen Story und Meß den Farbfilm „Liebe im Dreivierteltakt“ an Ort und Stelle produzieren. Daß es ihm weniger um biographische Treue, sondern vielmehr um einen erfolgversprechenden Unter -haltungsflilm ginig, ist evident. Deshalb ranken sich auch Legenden und romantische Unwahrheiten um die Person der Walzerkönige, aber es sollte ja kein Dokument werden, dem ernste Studien und Erkenntnisse zugrunde liegen. Es stimmt hinten und vorne nicht, wenn man historische Grundlagen in Betracht zieht, aber es wunde ein ansprechender Musikfilm in echtem und perfektem Walt-Disney-Stil, gut gespielt, musiziert und ausgestattet, ein wenig Sentiment, gelegentlich auch Witz und etwas Humor, und das Publikum von Texas bis Tokio wird den Herrn Johann Strauß sehr sympathisch finden. Nur die Wiener werden ihn eben kaum wiedererkennen, diesen smarten Walzerköndg aus Walt Disneys Wunderland.

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