6681728-1961_47_15.jpg
Digital In Arbeit

König Ubu in Graz

Werbung
Werbung
Werbung

„Wir können nicht leugnen, daß wir Graz für eine Provinzstadt halten. Wir befürchten, daß man in Graz bieten kann, was man will; man wird darüber lieber gähnen, als die Chance der Entfaltung wahrnehmen. Wir geben zu, daß der von uns eingeschlagene Weg nicht bequem ist. Wir geben zu, daß wir es den Bequemen möglichst unbequem machen wollen…” Das sind bittere Worte. Die sie als Vorspruch zu ihrem Herbstprogramm den Grazer Kulturbürgern übermittelten, sind die Leute vom „Forum Stadtpark”, die in langer und opfervoller Arbeit ihr Haus gebaut und es vor Jahresfrist als Stätte der Konfrontation für alle noch nicht hoffnungslos Verkalkten eröffnet hatten.

Das erste lahr des „Forums” brachte seinen Freunden zwar manch Unbequemes, aber fast immer Interessantes. Und dennoch muß dieses Zentrum junger Kunst und junger Künstler auch heute noch, wie am Tage seiner Gründung, von der Hand in den Mund leben und um Almosen betteln. Dennoch gründen sie weiter — in ihrem Idealismus zwar ein wenig verletzt, aber nicht gebrochen. Sie gründen eine Werkstatt für neue Dramatik, sie schaffen ein Graphikkabinett und geben der „Musikalischen Jugend Österreichs” eine Heimstatt in Graz — immer in dem Bestreben, nicht gedankenlosen Konsum zu fördern, sondern zu geistiger Auseinandersetzung aufzurufen.

Zu einer solchen Auseinandersetzung 4nit sätM :,Bhänwneffft®4itia.’ s s are kd vor kurzem eine dem Achtzigjährigen gewidmete „Woche” ein. Den Rahmen für die Veranstaltungen bildete eine instruktiv zusammengestellte Ausstellung von Werken des Meisters (Reproduktionen und Ö-ieinallithographien), die man Professor Wolfgang Schaukal, dem Leiter der „Urania”, zu danken hat. Eine Matinee und mehrere Abende brachten die Beschäftigung mit den Freunden des Malers — Strawinski), Apollinaire, Max Jacob, Reverdy —, Claus Pack zeigte Picasso als den titanischen Wegbereiter einer neuen Malerei, und schließlich spielten die „Wiener Komödianten” als österreichische Erstaufführung jenes Werk, das vor mehr als sechs Jahrzehnten mit dem Skandal seiner Pariser Aufführung in die Theatergeschichte eingegangen war: den „König U b u” von Alfred Jarry. Der fünfzehnjährige Schüler Jarry, der sich mit Hilfe des Marionettenspiels vom „Ubu Roi” seinen Groll gegen den verhaßten Mathematikprofessor vom Leibe geschrieben hatte, wäre seinerzeit wohl kaum auf den Gedanken gekommen, daß ihn eine Reihe avantgardistischer Autoren um dieser Tat willen ein halbes Jahrhundert später ab ihren Stammvater bezeichnen würde. Nun, die monströse und zynische Farce vom tyrannischen Usurpator — einer Mischung aus Schlauheit und Feigheit —. der aus seinen niedrigen egoistischen Instinkten heraus wahre Exzesse an Barbarei begeht, regt heute niemanden mehr auf. Als wichtiges Schaustück eines Theatermuseums vermag es allerdings durch die historischen Aspekte seiner damals neuen Dramaturgie noch ein wenig zu interessieren. Inhaltlich und formal ist es inzwischen längst durch die heutigen „Absurden” übertroffen. Löst man es aus seinem musealen Rahmen, so wirken seine Unflätigkeiten nicht mehr schockierend, sondern nur noch degoutant, und seine revolutionäre Machart hinterläßt einzig den Eindruck des Plumpen und Unbeholfenen. „J’ai voulu faire un guignol”. hat Jarry von seinem Stück gesagt. Und so hielt sich die klein Trüppfc der „Wiener Komödianten” C. H. Meiyert auch folgerichtig an den Stil des Puppen spiels. Mit großer Hingabe hatten sich die Spieler dieser Aufgabe gewidmet, arteten dabei aber oft in allzu große Übertreibung aus. Karl Schellenberg, der Darsteller des Ubu, blieb in bester Erinnerung: er ist ein souveräner Künstler, der hinter der Mechanik seines Puppenwesens noch allerlei differenzierte mimische Züge bereit hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung