6674538-1961_15_15.jpg
Digital In Arbeit

Laterna Magica — ein Seitensprung

Werbung
Werbung
Werbung

Es fällt den Schöpfern der „Laterna Magie a“, die auf ihrer Europareise von ihrer Prager Heimat über die Weltausstellungsstadt Brüssel und ein längeres Gastspiel in London jetzt in Wien Station macht, kein Stein aus der Krone, wenn man daran erinnert, daß die Kombinierung von bewegten Bildern auf der Leinwand mit Bühnendarstellungen, Gesang und Tanz so alt wie der Film ist. Vor, während („Der Traum eines österreichischen Reservisten“!) und nach dem ersten Weltkrieg gab es in Wien richtiggehende Spezialisten dafür. Auch die Projizierung der Bilder mit mehreren Projektoren auf mehrere Projektionsflächen ist uns seit Abel Gances Filmtriptychon „Napoleon“ geläufig. Erstaunlich an den Pragern ist aber, welche Präzision der Trick bei ihnen erreicht hat. Wie ein Tänzer beispielsweise auf der Bühne das Bild einer Tänzerin von der Leinwand gleichsam auf den Händen in den Seitenprospekt trägt, das ist wahrhaftig magische Laterne, das ist uralte Zauberei. Gearbeitet wird mit vier Projektoren, was in den ernsten und schmunzelnden kunstgeschichtlichen Bildern des „Prager Frühlings“ besonders wirkungsvoll zur Geltung kommt; aber auch der Bühnenraum vor der Leinwand ist durch drei Transportbänder tiefengestuft — alle Vorgänge sind also vom Zuschauer bis tief in den Farbtonfilm hinein durchgehend „plastisch“. Die Ansagerin (auf der Bühne!) plaudert in entzückendem Wiener Kauderwelsch mit ihren französisch und englisch sprechenden Kolleginnen (im Bild!), ein Pianist in der Wirklichkeit spaltet sich in ein halbes Dutzend Leinwandphantome auf, die man vom Original nicht mehr unterscheidet, Bilder und Töne, Größen und Perspektiven fließen wie im Traum ineinander — kurz, es ist ein Heidenspaß. In den „Stories" weisen die immer wieder vorschlagenden industriellen und Leistungssportmontagen auf die derzeitige politische Ideologie des Herkunftslandes. Die Erotik in Tanz und Bild ist von slawischer Dezenz. Eine Art Filmurgeschichte, die etwas großmannssüchtig den Löwenanteil der Filmerfindung für die Tschechoslowakei reklamiert, mündet in eine sehr komische Othello-Parodie, in der der sonst beachtenswert avantgardistische Grundzug der Darbietung in den herzhaften Klamauk eines effektvollen Finales umschlägt.

Bedeutendes für die künftige Filmentwicklung ist mit der Prager „Laterna Magica“ nicht geschaffen worden, was wohl auch nicht beabsichtigt war. Aber es ist ein gelungener Unterhaltungsspaß,, der über seinen nächstliegenden Zweck, auf der Weltausstellung für Prag von heute, Land und Leute, zu werben, hinausreicht.

Die Wiener Filiale der Columbia-Film hat gut daran getan, den hochgezüchteten Reklamerummel um den Film „P epe“ nicht mitzumachen. Die Enttäuschung wäre noch größer geworden. So registriert man an dem „größten Unterhaltungsfilm aller Zeiten“ nicht nur gereizt die ungebührlich ausgewalkte Monstrosität, die dünne Handlung und die 35 Starversager, sondern auch befriedigt die schönen Bilder, die Rasse und Dressurkünste eines weißen Hengstes, vor allem aber das begeisternde Spiel des mexikanischen Humoristen mit Herz und Hirn, Cantinflas, den wir schon von der Weltreise in 80 Tagen her gekannt haben.

In einem Minutenstil, in dem die ge- heimnistuerische Kamera aufreizend langsam herumschweift, erzählt der Schweizer Kriminalfilm „Die Heuchler“ (mit Heinrich Gretler) von einem Mord auf der Jagd. Das im Titel anklingende Thema (in einer Kleinstadt sind nun alle Honoratioren verdächtig, weil eben moralisch irgendwie angepatzt) ist leider nicht durchgestanden.

Unfaßbares an verbogener, verlogener und tolpatschig-lüsterner „Jugendproblematik“ leistet sich Geza von Radwanys deutscher Film „Und so was nennt sich Leben". Irgend etwas grunzt in diesem Film. Er ist eine Schande.

Lohnende Wiederaufführung: „The Quiet Man“, eine hübsche irische Idylle mit donnerartigem Schluß, ein echter John Ford.

Filmschau: I (Zu empfehlen für alle): Du bist Petrus** — II (Für alle): Micky-Maus-Jubiläums-Schau — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): Der schwarze Sergeant*, Jenseits des Ruwen- zori, Pepe — IV (Für Erwachsene): Die Heuchler, Die Rache des Herkules — IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): Die Fol- terkechte von Roccanera — IVb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt).: Der Emporkömmling — V (Abzuraten): Mädchen zum Mitnehmen — VI (Abzulehnen): … und so was nennt sich Leben.

** = empfehlenswert. * = sehenswert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung