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Malta, das Eiland von San Bulos

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Der Sommer war vorüber, schon war der Oktober angebrochen. Vom November bis zum März ruhte die Schiffahrt vollständig: „mare clausuni.“ Um diese Zeit pflegte jeder vorsichtige Kapitän seine Fahrten einzustellen, nicht etwa wegen der Stürme, sondern wegen der langen Nächte und des trüben Himmels und der damit verbundenen Steuerlosigkeit, denn der Kompaß war damals noch nicht erfunden. Paulus, der auf zahlreichen Seefahrten viele Erfahrungen gesammelt hatte, schlug dem Kapitän vor, hier zu überwintern. Er nannte es eine Verwegenheit, bei dieser Jahreszeit auf die offene See hinauszufahren, fand indessen kein Gehör. Der Schiffsherr und der Kapitän entschieden sich für die Weiterfahrt. Sie glaubten, bei dem leichten Südwind, der gerade einsetzte, den weiter westwärts gelegenen Winterhafen Phönix anlaufen zu können. Nach dem Urteil des Nautikers Breusing war dieser Entschluß „recht eigentlich ein Sprung ins Dunkle, eine Tollkühnheit“. Paulus sollte mit seiner Wetterwarnung recht behalten. Kaum hatten sie das Kap Matala hinter sich gelassen, fegte vom Berge Ida her urplötzlich ein gewaltiger, orkanartiger Sturm heran. Es war ein „Nordoster“, den die Schiffer „Eurakylon“ nannten. Wie eine Nußschale warf er das Schiff auf und nieder, hin und her. Die Seeleute befürchteten, es könnte unter dem Anprall der Wogen auseinanderbrechen. Sie umgürteten es deshalb mit dicken Tauen. Auch warfen sie, um das Schiff zu entlasten, einen Teil der Getreidefracht über Bord. Der Steuermann wußte überhaupt nicht mehr, wohin der Orkan sein Schiff trieb. Sonne und Sterne waren fast ständig hinter dunklen Wolken verborgen. Damit wurde jede Orientierung unmöglich. Da wurden die Seeleute von dunkler Verzweiflung erfaßt. Hoffnungslos starrten sie in die tobende See als ihren sicheren Tod. Lukas schrieb in sein Reisetagebuch: „Jede Hoffnung auf Rettung war verloren“ (Apg. 27, 20). Nur einer, Paulus, ließ den Mut nicht sinken. In diesen grauenvollen Tagen zeigte sich die überragende Macht seiner Persönliclueit, seine ganze Seelengröße. Drei Schiffbrüche hatte er damals bereits überstanden. Einen ganzen Tag und eine ganze Nacht hatte er, an ein Wrack geklammert, auf hoher See herumgetrieben (2 Kor. 11, 25). Jetzt trat er vor die verzweifelte Schiffsmannschaft und sprach: „Seid guten Mutes. Kein Menschenleben wird verlorengehen, sondern nur das Schiff. Ein Bote meines Gottes erschien mir über Nacht und sprach: .Fürchte dich nicht, Paulus! Du mußt vor dem Kaiser erscheinen. Gott hat dir alle deine Reisegefährten geschenkt.' Darum seid guten Mutes. Denn ich vertraue, daß es so kommen wird, wie mir gesagt wurde“ (Apg. 27, 21—25). Und so geschah es. Am Morgen des 14. Tages strandete das Schiff auf einer Sandbank der Insel Malta. Schwimmend oder auf Schiffstrümmern treibend, erreichten alle seine 276 Passagiere das Land. Die Stelle des Schiffbruches liegt nach einer sehr alten Tradition in der an der Nordostküste der Insel liegenden Bucht, die seither den Namen „St. Pauls Bai - St.-Paulus-Bucht“ trägt. Im Südwesten dieser Bucht ist der Strand ganz flach, dort wollten die Matrosen das Schiff auflaufen lassen Gleich innerhalb des Einganges befindet sich „der Ort, der zwischen zwei Meeren liegt“ (Apg. 27, 41), die jetzt „St. Pauls Bank“ genannte Untiefe, wo das Schiff auffuhr. Westlich von dieser Sandbank liegt, von der Brandung zerfressen und ausgelaugt, eine kleine Insel mit dem Namen Selmunetta, von den Maltesern auch, ,il Gzeier“ genannt. Auf diese Insel sollen sich die Schiffbrüchigen gerettet haben. Eine Paulus-Statue erinnert noch heute an die dramatische Landung von „San Bulos“, dem Beschützer der Malteser.

Die Schiffbrüchigen wurden von den Inselbewohnern mit großer Herzlichkeit aufgenommen. Sie schleppten Holz herbei, und bald prasselte am Strand ein Feuer, an dem sich die Frieren den erwärmen und ihre nassen Kleider trocknen konnten. Auch Paulus raffte ein Bündel Reisig zusammen und warf es ins Feuer. Plötzlich fuhr, von der Hitze jäh aufgeschreckt, eine Giftschlange aus dem Reisig und biß ihn in die Hand. Die abergläubischen Insulaner wichen entsetzt zurück und riefen: „Dieser Mensch ist gewiß ein Mörder. Zwar ist er dem Meer glücklich entronnen, aber die Rache der Götter verfolgt ihn jetzt“ (Apg. 28, 4). Sie erwarteten, daß sein Arm anschwellen und daß er selbst tot zusammenbrechen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Paulus schleuderte die Schlange ins Feuer und nahm keinerlei Schaden. Da schlug die Stimmung um: „Nein, er ist ein Gotti“, so sagten sie nun. Und noch jetzt schreiben es die frommen Malteser dem Gebet des Paulus zu, daß es heute auf Malta keine Giftschlangen mehr gibt.

Publius, der römische Gouverneur von Malta, der „Erste der Insel“ (Apg. 28,7), hatte in jener Gegend ein ausgedehntes Landgut. Nach einer Lokaltradition befand es sich in Uardia. Hier bereitete er den Schiffbrüchigen eine Notunterkunft, bis sie ein passendes Winterquartier gebunden - habensiw^ieden. ...... MJy, i.u

Die Hauptstadt der Insel war Melita. Von ihr .erhielt die fiisel den Namen, woraus erst später Malta wurde. Unter italienischer Herrschaft hieß die Stadt Cittä Vecchia, heute wird sie Medina genannt. Sie liegt malerisch auf einem Hügel und ist ringsum geschützt durch einen römischen Verteidigungswall. Im damaligen Melita war der Vater des Publius an Ruhr erkrankt und lag mit hohem Fieber darnieder. Paulus vergalt darum die ihm erwiesene Gastfreundschaft, indem er den Kranken besuchte, ihm betend die Hände auflegte und ihn also heilte. Daraufhin kamen auch andere Kranke der Insel zu Paulus, und er heilte sie alle.

Während dieser Zeit wohnte Paulus in einer Höhle in Rabat, das zu Medina gehört, jedoch außerhalb seiner Mauern liegt. Unter der heutigen Paulus-Kathedrale „fuori le Mura“ befindet sich eine Höhle, in welcher eine Paulus-Statue steht. Hier soll Paulus während seines dreimonatigen Aufenthaltes (Apg. 28, 11) auf der Insel gewohnt, gepredigt und die Herzen der Malteser für Christus erobert haben. Unter den Neubekehrten befand sich auch Publius, später der erste Bischof der Insel. Am 10. Februar begeht Malta mit großer Feierlichkeit den Nationalfeiertag, das „Fest des Schiffbruches“. Dieser Tag war für sie einst der Anbruch einer großen neuen Zeit, das Wrack des Apostelschiffes wurde zum unermeßlichen Glück ihrer Insel.

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