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Mikado und Molcho

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Als Beitrag der V o 1 k s o p e r zu den Festwochen feierte die burleske Oper „Der Mikado“ von Artur Sulli-v a n, Text von W. S. Gilbert, eine recht hübsche Auferstehung. Da ist zuerst die Musik: nobel, geschmackvoll, unbeschwert, mit Schwung und zuweilen mit Geist, wie man sie heutzutage nicht mehr schreibt. Sie kommt ohne „Schlager“ aus, setzt dafür gelegentlich Parodien (zum Beispiel die Madrigalparodie). Ihre Frische ist durchaus der Auferstehung wert. Dann sind die luftigen und geschmackvollen Bühnenbilder von Walter H o e s s 1 i n : nicht viel mehr als Bambusvorhänge, ein großer roter Mond, ein schwarzes Spiegelparkett und ein paar Kirschblütenzweige, schließlich im Schlußbild eine luftig und farbenprächtig erstehende Pagode. Die Inszenierung von Wolfgang Liebeneiner weiß mit diesen Bühnenbildern und den sehr hübschen und einfallsbestimmten Kostümen (Hill Reihs-Gromes) das Richtige anzufangen, es ist eine gelockert wirkende und durch Dia Lucas Choreographie (die diesmal durch noble Zurückhaltung doppelt wirksam wird), bunt bewegte, immer luftige Szene. Die Darsteller: Laszlo Szemere als verschmitzt-vergnügter Mikado ein Kabinettstück von Phlegma und Pedanterie, der nicht zu schlagende Karl Dönch als Koko, der siebzehnfache Würdenträger, der zu kleine Bestechungsgelder Beleidigungen nennt, aber Beleidigungen gewohnheitsmäßig einsteckt — er weiß seiner Karikaturrolle menschliche Züge zu geben; Herbert Prikopa und Friedrich Nidetzky als seine Spießgesellen Poo-Bah und Pish-Tush, freundliches, gut-gehährtes Japan; Renate Holm, das Singvögelchen Yum-Yum, das mit ihren beiden Gespielinnen eben vom Pensionat kommt und daher heftig verliebt ist; schließlich der Gegenstand ihrer Verliebtheit, der inkognito als zweiter Posaunist durch die Welt wandernde, aber natürlich daheim auftauchende Kronprinz Nanki-Poo, von Peter Minich sowohl tenoral als erscheinungsmäßig genau ihren Träumen entsprechend. Als überreife und noch ledige Katisha Hilde Konetzni, mit überlegener Kunst des Singens und ebensolcher des Humors ein Schwergewicht des Abends. Das Werk wurde 1885 in London uraufgeführt, seine Wiener Erstaufführung 1887 war bereits die neuntausendste. Der Text ist eine Parodie auf Mißstände im viktorianischen England, wovon allerdings in der Übersetzung von Zell und Genie wenig oder nichts zu spüren ist. Dieser mitunter recht altmodische .Text hättesf%ne,il nejuflreiy -und, geistvolleren Bearbeinuigribe^urfi, wie -sie., von der Hand Otto Erich Deutschs bekanntlich vorliegt. (Weshalb man sich ihrer nicht bediente?) Alles in allem ein vergnügter und geschmackvoller Abend, an dem auch das Orchester und sein Leiter Franz Bauer-Theussl ihren besonderen Anteil hatten.

Samy Molcho, 1935 in Tel Aviv geboren, den wir schon zu Beginn die?es Jahres im Akademietheater und dann im Großen Saal des Konzerthauses gesehen haben, gab im Theater an der Wien seinen dritten Wiener Pantomimenabend. Neben den bereits bekannten Stücken (Mimische Introduktion, Der Prozeß, Der Chirurg, Der Soldat, Er und Sie, Der Schleier, Das Orchester und Der Vogel und der Jäger) brachte Molcho auch drei neue Schöpfungen mit: „Der Mensch und der Baum“ (ein für eine Pantomime vielleicht zu schwieriges Thema), „Im Museum“ (bestens gelungen, mit genauer, aber immer liebenswürdiger Charakteristik vieler Typen) und „Der Aufstand der Marionetten“ (ein technisches Meisterstück im ersten Teil, da er die Bewegungen der Gliederpuppe mit erstaunlicher Virtuosität kopiert, aber ohne den im Titel proklamierten „Aufstand“, der recht blaß geriet). Molchos Vorzüge — phänomenale Körperbeherrschung, scharfe Beobachtungsgabe und die immer „menschliche“ Karikatur menschlicher Eigenheiten und Schwächen — sind oft in den höchsten Worten gerühmt worden. Zwei kritische Einwände sind aber doch zu machen: Molcho „erzählt“ noch zuviel und nimmt sich zuweilen mehr vor, als er wirklich zwingend gestalten kann; und seine Produktionen ohne Musik sind fürs Publikum auf die Dauer recht anstrengend. Nach einigen belanglosen Einleitungstakten schweigt nämlich die Musik, aber dafür hört man sämtliche von dem Publikum eines großen Hauses gemachten Geräusche,. wie Husten, Niesen, sich .Räuspern, Knarren d«r Sitze,. Flüstern und- so - weiter. — Eine viel störendere Geräuschkulisse als jede andere. — Viel Beifall.

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