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Nach Jerusalem

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Der nachstehende Aufsatz stützt sich auf das schwedische Buch „Till Jerusalem“ des Grafen Folke Bernadotte, worin seine Bemühungen um die Waffenruhe zwischen Arabern und Juden dargestellt werden. Die Aufzeichnungen, meistens Diktate während der Flugreisen, wurden nach seinem Tod gesammelt und in diesem Band zusammengestellt. Sie wirken, angesichts des Einsatzes, den Folke Bernadotte geleistet hat, erschütternd und zeigen einen Mann von großem Format. Wenn Konsequenz des Lebensweges ein Element der Größe ist, so hat Folke Bernadotte Anspruch darauf.

„Am Vormittag des 13. Mai läutete das Telephon bei der höchsten Leitung des schwedischen Roten Kreuzes. Es war ein Beamter des Außenministeriums, der mir folgendes mitteilen wollte: Die Regierung hatte gerade eine Anfrage erhalten, ob etwas dagegen vorläge, wenn ich in dem bösen Konflikt, der in Palästina ausgebrochen war, zum Mittler der Vereinten Nationen ernannt würde“,- schreibt Graf Folke Bernadotte in dem nach seinem Tode erschienenen Buch „Till Jerusalem“ (Stockholm, Norstedts Förlag 1950), das seine letzten Aufzeichnungen enthält.

Lachend vor Freude erzählte er seinen Mitarbeitern von dem Telephongespräch. Er sollte die beiden nahen Pfingstfeier-tage auf Stora Karlsö, einer Insel in der Nähe Gotlands, verbringen und erhoffte sich dort die nötige Klarheit für seinen Entschluß. „Ich hatte dabei eine gute Stütze an meiner Frau, die auf ihre gesunde und klare Art die Sache darlegte“, setzt er fort. „Wir wußten, daß die Aufgabe unerhört groß war und daß sie sich vielleicht als total unlösbar erweisen könnte. Aber es schien uns die Chance vorzuliegen, wenigstens eine Verbesserung der herrschenden Lage zu versuchen. Wenn ich den definitiven Auftrag ablehnen würde, würde ich es wahrscheinlich während meines ganzen folgenden Lebens bereuen...“ Er fürchtete auch, daß sich Palästina „zu weit schwereren Komplikationen“ entwickeln könnte.

Am 19. Mai, sechs Tage nachher, sandte Folke Bernadotte das entscheidende Telegramm an Trygve Lie. Viele Freunde waren bestürzt, suchten ihn umzustimmen. „Aber der Entschluß war nun einmal gefaßt“, schließt er. „Da gäbe es kein Zurück mehr...“

Es beginnt also das ebenso seltsame wie furchtbare Abenteuer der letzten sechs Monate in Folke Bernadottes Leben: eine einzige Jagd irt Flugzeugen, Besprechungen, meistens in Gluthitze — eine Leistung in vollkommener Hingabe an die Idee, auch im sportlichen Sinn des physischen Aushaltens, die doch von der wachsenden Erkenntnis seiner Machtlosigkeit und exponierten Lage verdunkelt wird.

Wenn man diese prägnanten Aufzeichnungen liest, die er im Flugzeug während gestohlener Stunden seiner Sekretärin diktiert hat, bewundert man diesen Mann. Es gilt ja, mit den verschiedensten Personen des politischen Lebens oft ohne Pause zu verhandeln, und da es dabei auf Augenblicke ankommt, gewissermaßen in Konferenzen zu “denken. Er hat überall die Vorschläge für den Waffenstillstand vorzutragen, überall die Gegenargumente entgegenzunehmen und sofort zu sondieren, worin die nächsten Möglichkeiten bestehen können: so präzisiert, so geschickt, so taktvoll, wie er es vermag. Es folgen immer wieder Zusammenkünfte: in Kairo, Amman, Damaskus, Jerusalem, Tel-Aviv, oft in einer Tropenhitze von 45 Grad. Aber kein Ausruhen ist denkbar, kein Privatleben, denn es drängen die Auftraggeber und nicht zuletzt das eigene Gewissen, das ihm die Verantwortung für das Mißlingen aufbürdet. Es fließt ja Blut tagtäglich.

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