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Österreichisches Leid

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Wir klagen, wir weinen, wir raunzen, wir verkaufen himmelfahrend unser Gewand, welches die Motten des Pessimismus ohnehin schon zerfressen haben. Daß dieses schöne Osterreich nicht mehr lange steht, wäre zwar zu bejammern, aber noch zu verkraften, doch die ganze Welt geht ja demnächst unter und mit ihr der Kosmos, deren Mittelpunkt wir bekanntlich sind. Die armen Astronauten müssen irgendwo im untergehenden Weltraum cam-pieren, weil sie uns nicht mehr finden, wenn sie zurückkommen wollen.

Der feuerspeiende Vulkan von Montserrat oder das Erdbeben von Umbrien, das sind nur die Vorboten des Untergangs, denn die wahre Katastrophe, das ist die drohende Abschaffung des österreichischen Schillings. Wo, bitte, wenn es diesen nicht mehr gibt, wo soll denn der Mensch, der sparpaketgeprüfte Österreicher, da noch einen Halt finden? Womit soll er sich noch trösten in der Hinfälligkeit alles Irdischen? Etwa mit diesem EURO, mit diesem unbekannten, unsympathischen Geld, mit dieser Umrechnerei, fnit dieser Justament-währung der Großkopferten. Waren Sie schon einmal in England? Das sind doch wenigstens Leute, die auf ihrem angestammten Recht bestehen. Die fahren nicht nur links, die zählen auch ihre Entfernungen in Meilen. Und was geschieht, wenn der intelligente Kontinentaleuropäer auf seinen gerechten Kilometern besteht? Er zahlt drauf. London ist von Liverpool auf einmal um fast ein Drittel weiter weg. Wenn das kein Betrug ist! Mit 130 auf dem Meilentachometer rennt der Wagen schon seine-170 Stundenkilometer - und die Highway-Police jagt mit Blaulicht hinterher. Dann erklären Sie denen, daß Sie es so eilig haben, weil Liverpool um ein Drittel weiter weg ist. Oder noch besser, daß die Welt ohnehin untergeht.

Genauso wird's uns mit dem EU-BO gehen. Bette sich wer kann! Ich kann mir jetzt schon vierzehn Tage das rechte Ohr nicht waschen, weil ich mit einem so hohen Politiker am EU-RO-Telefon gesprochen habe. Seine Stimme war so sanft wie das Traum-männlein, und er hat mir vorgerechnet, was ich mir an Bankspesen erspare, wenn ich künftig nach Bibione auf Urlaub fahre. Aber ich will ja gar nicht nach Bibione, weil dort treffe ich den Meier und den Müller, und die jammern so fürchterlich über den Weltuntergang, daß mich das Mitleid noch umbringt. Der Weltuntergang holt uns ohnehin überall ein - und ich sterbe lieber daheim auf dem Balkon. Die Bestattung in EURO wird viel zu teuer, doch wenn ich den Politiker gefragt hätte, so hätte er mir vorgerechnet, daß ein Grab in Bibione dafür in der gleichen Währung zu bezahlen und daher unvergleichlich günstig ist.

Sind wir die Heimat großer Söhne oder großer Städte und Denkmäler? Hat der Mensch Vorrang oder der Ziegel? Na, also! Wir wollen unseren Böhm-Bawerk, unsern Otto Wagner und unsern Erwin Schrödinger, wir wollen unsere Goldhaube und unser Edelweiß. Die Akademie, die Postsparkasse und die Universität, das sind bei uns Bückseiten - und wir waren ohnehin noch nie dort. Schade drum, wenn sie einstürzen wie die Kirche von Assisi, weil der Weltuntergang kommt. Wenigstens die Bilder sollen übrigbleiben und die sind auf unseren Schillingnoten.

Eine Frage getraue ich mir den EU-RO-Politikern am Telefon gar nicht zu stellen: Wie ist das mit dem Trinkgeld für den Charon? Sie wissen schon, das ist der alte Fährmann am Lethefluß, der sich auch nicht auf Motorboot oder Tragflügelexpreß umstel len hat lassen. Der Charon rudert nicht, wenn er seinen Obolus nicht bekommt. Wahrscheinlich ist er ein Österreicher. Und weil er wahrscheinlich ein Österreicher ist, mag er keinen EURO, sondern nimmt nur was er kennt, eben nur Schillinge.

Das wird ein Wehklagen! W'enn die Welt untergeht und die Österreicher stehen haufenweise am Lethefluß und kommen nicht hinüber.

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