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Österreichisches Wunder der Prärie

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Es ist nicht eben häufig, daß der österreichische Film epochemachend, stilbildend auf den Plan tritt. In „Das heilige Erbe“ geschieht das Wunder. Nennen wir es vorerst: eine neue Form des Heimatfilms. Derzeit vielleicht ein zweifelhaftes Lob. Denn die Gattung ist stark abgewertet: durch die stark städtisch bestimmte, stark versnobte und stark linksgerichtete zünftige Kritik, die den Heimatfilm verbellt, auch wo er nicht Dieb ist. Sie hat sich zudem im deutschen Film der zweiten Nachkriegszeit selbst diskreditiert: durch das „Dutzend von der Stange“, durch schiefe Inhalte und falsche Formen, vor allem aber durch die Erniedrigung von Brauchtum und Landschaft zu billiger Staffage und pseudo- folkloristischem Komparsentum. Uebrigens: die alte Ostermayer-Garnitur ist ausgestorben, die Exl-Truppe (Nachhut aller bodenständigen Schauspielkunst) in alle Winde zerstreut — wer sollte darstellerisch diese Filme tragen?

Wir wissen noch nicht lange, welche echten Heimatfilmelemente Walt Disnevs — zugegeben: überaus bewußt und intelligent komponierten — Dokumente aus Natur und Tierwelt enthalten haben. Da wir „Das heilige Erbe" nahezu alle Hemmungen und Verkrampfungen des deutschen Heimatfilms abschütteln sehen, da wir es mit schlafwandlerischer Sicherheit die infantilen Züge des Film-Spieles auf ein paar ganz wenige menschliche Urgefühle zurückschrauben sehen (es ist nur noch ein winziger Schritt von da zu Walt Disneys kompromißlosem Dokumen- tarstil), ist uns im selben Augenblick auch schon klar, wo die große Chance für die Zukunft liegt.

Die spezifischen Anteile an der Wohlgelungenheit dieses wunderschönen Films sind nicht klar. Bekannt ist die dle Jagd-, Natur- und Filmbesessenheit des steirischen Mäzens Franz Mayr-Melnhof. Unverkenn bar die wachsende Vertrautheit mit dem Handwerk bei dem jungen Regisseur Alfred Solm. Und doch scheint uns die überwältigende, souveräne Kamera- und andere Führung des Films durch den Klassiker aus der F anckh-Schule, Richard Angst, den Löwenanteil an dem Erfolg des Films zu haben. Ihm gelingt es, die eigentümlicRe ..Vertikale" der landschaftlichen Eigenart und Schönheit Oesterreichs, die von der geheimnisvoll beliebten Bergwelt bis zur östlichen Melancholie des Seewinkels reicht, zum Leben zu wecken. Hier gelingen — im Tann und im Schilf — Farbaufnahmen, die es durchaus mit Walt Disneys Glanzstücken aufnehmen können. Wir vermerken am Rande: ein vielversprechendes Comeback Hermann Erhardts und ein hoffnungsvolles natürliches Talent: Christi Erber. Wir vermerken im Zentrum: ein sauberer, wohlgeratener. Stil- und geschichtemachender österreichischer Film, Walt Disney verwandt, noch nicht von seinem künstlerischen Rang, aber naturbelassener und auf den Spuren eines ureigenen, beispielgebenden österreichischen Stils.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nrn. 10 und 11, vom 9. bzw. 16. März: II (Für alle zulässig): „Das heilige Erbe" — III (Für Erwachsene und reifere Jugendl: „Die Männer", „Spion für Deutschland", „Das Mädchen Marion“ — IV (Für Erwachsene): ,,Die schöne Meisterin", „Unternehmen Palikan“, „Mensch oder Teufel“, „Cowboyrache in Oklahoma" — IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Faustrecht in Kenya", „Die Magd von Heiligenblut", „Schrei in der Nacht", „Horizont in Flammen“ — V (Abzuraten): „Vier Frauen im Sumpf".

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