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Shakespeare und Mini-Musical

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Die Wochen vor dem Beginn der Grazer Sommerspiele wirken wie die Buhe vor dem Sturm. Aus den Belanglosigkeiten und Wiederholungen des Repertoires ragt aber eine Schauspielaufführung hervor, die zum Besten zählt, was seit dem vielbedauerten Weggang Fritz Zechas vor fast zwei Jahren in Graz zu sehen war. Oberspielleiter Rudolf Kautek inszenierte die beiden Teile von Shakespeares „Heinrich IV.“ nach der in Wien bekannten Fassung Leopold Lindtbergs. Zwar fällt durch die gewaltigen Kürzungen des Werks viel unter den Tisch, was für das Verständnis des historischen Ablaufs notwendig wäre; aber was tut's. Die verwirrenden Einzelheiten englischer Thronstreitigkeiten interessieren den Zu-seher von heute wohl kaum. Die Bearbeitung Lindtbergs bietet jedoch die Möglichkeit, das menschlich Berührende der Historie stärker hervorzuheben. Kautek hat diese Chance klug genützt: er legt den Akzent auf den jungen Prinzen Heinrich, zeigt in charakteristischen Stationen dessen Werdegang, sein Reifen vom Herumstreuner zu höchster Verantwortung (wobei die Parallele zu Calderons Sigismund nicht zu übersehen ist), und beleuchtet den vierten Heinrich, den Vater also, vor allem in seiner Position dem Sohne gegenüber. Die Falstaff-Szenen haben Kraft und Fülle, der dicke Prahlhans ist bei Hannes Schütz in denkbar besten Händen. Skalickis Bühnenbild und Kauteks kluge Gewichtsverteilung, sein Sinn für die Proportionen der Szenen gewährleisteten den Erfolg der Aufführung, die ihr besonderes Cachet durch Hanns und Wolfgang Kraß-nitzer erhielt: sie waren auch auf der Bühne Vater und Sohn. Ein Sonderlob gebührt noch dem großartigen Rudolf Buczolich für den unglaublich sympathischen Stotterer Percy Heißsporn.

Die sogenannte tote Saison nützten recht geschickt die „Spielvögel“ in ihrem Kellerstudio. Nachdem sie zuvor in bewährter Entdeckerfreude das Stück eines türkischen Autors herausgebracht hatten, gingen sie nun auf Nummer Sicher und verschrieben sich dem Musical — allerdings einer Besonderheit dieser Art. Die Grundlage lieferte der alte Juan Ruiz de Alarcon y Mendoza mit seinem Lustspiel „Die verdächtige WahrheW, das schon Corneille und Goldoni für ihre „Lügner“-Komödien als Ausgangspunkt gedient hatte. Ingo Wampera, der Regisseur der Aufführung, hat den deutschen Text sehr geschickt bearbeitet, die Grazer Kabarettautorin Gerda Klimek steuerte die Texte zu den Songs und den Ensembles bei, der Grazer Komponist Fridl Althaller schrieb eine ins Ohr gehende Musik. Ein Mini-Musical also, auf einer winzigen Bühne, mit minimalen, aber um so wirksameren Kostüm- und Dekorationsandeutungen und nur drei Instrumentalisten als Begleitern (Flöte, Gitarre, Baß). Die Uraufführung wurde ein Bombenerfolg: die Turbulenz des Quiproquo war labyrinthisch, Text und Darstellungsstil voll der hübschesten ironischen Anspielungen, die Exaktheit des Ensembles nicht geringer als die blendende Spiellaune, der Einfallsreichtum des Regisseurs Ingo Wampera scheinbar unerschöpflich: eine spanisch-steirische Eigenproduktion ganz besonderer Art, die auch anderswo gut ankommen wird.

Von den verhältnismäßig zahlreichen Ausstellungen der letzten Zeit sei wenigstens mit wenigen Worten eine dem Maler und Graphiker Heinrich Pölzl gewidmete Schau im Forum Stadtpark erwähnt. Pölzl, ein Schüler Güterslohs und derzeit Kunsterzieher in Graz, zeigt sich hier als ein tief introvertierter Künstler, der auf der Suche ist nach den Grundformen der Natur. Keine vegetative Form ist ihm zu unbedeutend als Strukturelement seiner Bilder, die in starker Verdichtung und bewegungsreicher Dynamik — in Einheit und Gegensatz — die Natur gestalten. Seine Arbeiten sind erfüllt von herber, emster Poesie, die sich mit Empfindsamkeit und Zartheit paart.

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