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Taugenichtse in Rom und anderswo…

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TEMPO DI ROMA. Ein Taugenichts in Rom. Roman. Von Alexis Curvers. Aus dem Französischen von Friedrich Hagen. Stahlberg-Verlag, Karlsruhe. 352 Seiten.

Das erste Drittel dieses Romans ist von bezauberndem Reiz, locker, witzig, leicht beschwingt, verschmitzt und wie aus einer commedia dell’arte mit improvisierten Scherzen und Intrigen. Und es sind alle da, die Arlecchini, Pulcinelle, Pantalone und die leichten, allzu leichten oder feistgefügten Damen: die Mar- chesa Lala mit ihrem Edelgigolo Orfeo, das Täubchen Geronima mit ihrer resoluten Mama, Dottori der verschiedensten Fakultäten, Spitzbuben, Schlaumeier und ein englischer Gentiluomo, dekoratives Lumpenpack und Lazzaroni und in ihrer Mitte ein sanfter Taugenichts aus dem belgischen oder französischen Kohlenrevier, der sich in der römischen Luft behaglicher fühlt als anderswo, verschiedene Abenteuei besteht,’zu sčhiebėrt gläubt und geschoben wird und am Ende noch mit einer schönen Erbschaft abgeht. Um das alles die römischen Brunnen, Gassen und Paläste, St. Peter und die Via Appia, das große und das kleine Rom und italienisches Ambiente. Im zweiten Drittel verliert sich der Roman ein wenig ins Burleske, um im letzten Drittel auch noch der Moral zu geben, was sie beansprucht. Das Ganze ist ein Schelmenroman von der modernen picarischen Sorte aus dem Umkreis des Felix Krull, ironisch mit einer Neigung zur sanften Melancholie und den Thomas Mannschen Bildungsingredienzien. Es wäre auch an Anouilh zu denken und an seine pieces roses mit ihrer komödiantischen Verspieltheit. Die Figuren wirbeln durcheinander, spielen hier Komödie aus dem Stegreif auf jeweils wechselndem Niveau, und Rom ist ihre Bühne, das Rom der Jahre nach dem Krieg, aber leicht verzaubert und verschönt und mit einem Anhauch von Rokoko. Man liest das Buch mit Vergnügen und findet, daß sogar das Heikle delikat erzählt ist.

WIR, DIE ANGEKLAGTEN. Roman. Von Ernest Raymond. Aus dem Englischen von Elisabeth Schnack. Verlag Fretz & Wasmuth, Zürich-Stuttgart. 404 Seiten. Preis 17.00 sfr.

Raymond hat wohl irgendwann davon gehört, daß Werfel eine Novelle geschrieben hat mit dem Titel „Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuld” und scheint entschlossen gewesen zu sein, so etwas noch einmal an den Mann zu bringen. An den falschen Mann in diesem Fall, denn sein Presset ist ein Seelentölpel, der seine Frau vergiftet, weil er eine andere haben möchte. Er ist mit allerlei Ambitionen belastet, hat zwar Minderwertigkeitsgefühle, aber einen ungestillten Ehrgeiz, zu wenig Courage, aber zu viel „Romantik” und jammert in der Gegend herum wegen Behinderung seines inneren und äußeren Weges. Eines Tages will er schlau sein und begeht eine Dummheit. Solche kommt natürlich ‘ or und um solches herum kann man einen Unterhaltungsroman schreiben nach der englischen Manier der „entertainments”, eine Kriminalgeschichte mit ein wenig Seelensalbaderei. Aber Raymond hatte Aspirationen, und da er ein rabulistischer Wirrkopf zu sein scheint, verfiel er auf die krause Idee, uns für seinen Tölpel die Rechnung bezahlen zu lassen. Und das verdrießt uns. Wir haben durchaus Verständnis für Randprobleme der Moral und auch dafür, daß man sich eines „thrills” bedienen kann, um soziale oder pseudokriminelle Fragen aufzurollen, wie Graham Greene zum Beispiel. Aber es ist hier zu sagen: Greene hat das Ernstzunehmende ernsthaft behandelt, Raymond aber hat auf seine Kriminalstory nur ein wenig Allerweltspsychologie aufmontiert und sich im übrigen damit begnügt, das Tränenwasser laufen zu lassen. Seine Pseudoproblematik hat den Drall nach der falschen Seite. Solch ein Roman erzeugt nur Unbehagen, auch wenn er routiniert geschrieben ist.

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