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Tennessee Williams in Salzburg

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Wer das Stück „Die tätowierte Rose“ als Film gesehen hat (mit der unvergleichlichen Anna Magnani in der Rolle der Seranna), wird mit einer gewissen Skepsis zur Premiere in das Salzburger Landestheater gegangen sein. Ich darf gleich vorwegnehmen, daß sich alles Mißtrauen als unbegründet erwies. Die Inszenierung Gandolf Buschbecks hatte Niveau und vermochte in jeder Phase zu fesseln. Ganz abgesehen indes von der Qualität dieser Aufführung, zeigt sich eben auch wieder, daß das Theater etwas zu geben hat, was der Film — trotz größter Starbesetzungen — schuldig bleiben muß: das Fluidum jener lebendigen Gemeinschaft, zu der sich Bühne und Zuschauerraum verbinden, und die Unmittelbarkeit eines einmaligen und unwiederholbaren Lebensvorganges auf der Bühne, dem wir im Theater beiwohnen.

Die Theaterstücke Tennessee Williams sind schon in der Grundkomposition auch als Film angelegt. Man möchte meinen, daß dieses Ein-schießen filmischer Elemente die Struktur des Dramas verwischt. Aber diese Stücke sind im eigentlichen Sinne keine Dramen. Sie sind Atmosphäre, ein Raum voll Musik, vom krausen Linienspiel menschlicher Schicksale und Empfindungen durchwirkt. Gewiß läßt sich auch in der „Tätowierten Rose“ eine dramatische Idee entdecken. Sie ergibt sich aus dem Sinn weiblicher Existenz. Aber von welchem Dickicht menschlicher Beziehungen ist sie umwuchert. In dieser Dorfgemeinschaft, in der das Stück spielt, sind alle Triebe und Empfindungen losgebunden. Gute wie böse, lebensför-dernde wie zerstörende. Jede Regung wächst sich spontan zu zügelloser Aktion aus. Hinter der Fassade des Alltäglichen toben Exzesse des Schmerzes und der Lust, der Trauer und der Leidenschaft, der Lebensgier und der Bosheit.

Aber was immer wir darüber denken: so ist der Mensch, und so ist seine Welt. Erst wenn wir das Menschenherz mit allen Höhen und Abgründen kennen, werden wir die reine vox humana aus dem Chaos der Stimmen heraushören. Und das will Tennessee Williams in seinem Drama bewirken.

Gandolf Buschbeck hat das Werk mit großer Sorgfalt einstudiert.

Einmal findet er im Durcharbeiten der Charaktere vielfältige Nuancen, bei anderen wieder hebt er das Wesentliche kraftvoll hervor. Vibrierendes Leben erfüllt die Atmosphäre. Ihre Italiantä verblüfft. Dem Regiekonzept bot das Bühnenbild von Rudolf Schneider-Manns-Au alle Möglichkeiten der Entfaltung. Das Interieur hatte Stimmung. Nur das Geheimnisvolle, Primitiv-Mystische, das der Autor verlangt, war zuwenig spürbar. — Im Mittelpunkt der Aufführung stand eine imponierende Leistung von Eva Servaes als Serafina. Ebenso echt im inneren Glanz erfüllter Liebe wie in ihren Ausbrüchen, in ihrer hysterischen Askese wie in ihrem Schwanken zwischen Zartheit und tierhaftem Ungestüm, schloß sie die widersprüchlichsten Elemente zu einer fest umrissenen Figur zusammen. Gleich nach ihr muß die junge Elisabeth Gassner genannt werden. Wie sie in der Rolle der Tochter -Rosa. die Wandlung vom Kind zur Jungfrau und schließlich das wilde Erwachen der ersten Liebe darstellte, gehörte zum Schönsten, was uns hier die junge Schauspielergeneration bisher beschert hat. Volle Sympathie erwarb sich auch Wolfram Besch. Als Jack bot er eine feine Studie von der hilflosen Schüchternheit eines sauberen Jungen. Mangio-cavallos ungeschlachte Weichheit und naturburschenhafte Durchtriebenheit erhielten durch Sepp Scheepers humorvolle Gestalt. Gemüthaft, voll mütterlicher Herzenswärme und Klugheit Frau Ripper als Assunta. Die Gossenpflanzen Bessie und Flora wurden von Rosemarie Schrammel und Trude Ackermann mit allzuviel Einsatz gespielt. Alle anderen trugen nach bestem Vermögen zu einer vorzüglichen Ensembleleistung bei.

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