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Tenniscourt Domplatz

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Unsere Denkmäler, Palais und Kirchen sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Seit dem Jahr der Denkmalpflege und des großen Umdenkens zugunsten des altehrwürdigen Kulturbesitzes haben wir viel Geld in saubere Fassaden, regendichte Dächer und sandgestrahlte Figuren aufgewendet - und gehofft, daß sich Geld und Gesinnung in profitabler Umwegrentabilität niederschlagen. Die Touristen aus aller Herren Länder eilten auch wissens- und erlebnisdurstig herbei, ließen sich Geschichte und Kunst erklären, belichteten ihre Filme, packten ihre Jause aus und bestiegen ihre Autobusse. So war das natürlich mit der Umwegrentabilität nicht gemeint, daher mußten die Altstädte auch revitali-siert werden. Denn wenn sich Touristen schon zu späterer Stunde in die alten Gassen verirrten, so vermeinten sie zwischen geschlossenen Rollbalken und sicherheitshalber falb erleuchteten Bank-Auslagen die ihre Runden ziehenden Männer des Bewachungsdienstes für Gespenster zu halten.

Heran also, an den denkmalwürdigen „Point of Sale”: Würstelstände und Souvenirbuden, Gelati und Coca Cola, was halt eine Altstadt so belebt und schnell verkäuflich ist. Auch einige Schönheit: Blumentröge und Blumenstände, ein wenig Kunsthandwerk und kunstvoll geschnörkelte Laternen. Und für müde Wanderer von milden Sponsoren gestiftete Drahtbänke. Es soll nicht so leer aussehen auf den brunnenbeplätscherten Plätzen.

Aktion war gefragt. Stände mit Unterschriftenlisten für oder gegen etwas, wohltätige Schnapsausschank, auch Demonstration und Flugzettelverteilung, in Wahlzeiten Politik, Kultureinladungsverteiler mit

Perücken. Duft von Würstelbraterei und Äpfeln, welche die nostalgischen Fiakerrosse hinterlassen. Und bitte Musik und Feste, Straßenmusikanten, Open Air, Promotions für exotische Reiseziele. In einschlägigen Diskussionen wurde bereits ein Stadt-Intendant gefordert, der die verschiedenen Aktivitäten veranlaßt und koordiniert, auf daß das tägliche Straßentheater System und Dauer habe. Trotz Fremdenverkehrseinbußen haben wir auf diese Weise den Sommer vital hinter uns gebracht. Sage keiner, da sei nichts los gewesen. Aber nun klafft das Herbstloch. Über Advent und Weihnachten geht es ja noch, doch dann droht ein Winterloch und ein Frühlingsloch bis zur nächsten Saison.

In diese große Verlegenheit fällt ein geradezu genialer Vorschlag eines Tennisstars. Nicht eben ganz originell, sondern dem Land der unbegrenzten Geschmacklosigkeiten abgeschaut, in dem die Stars bei ihren Spielen ja so herumkommen. Konkret also: das nächste internationale Tennismatch auf dem Dom- oder Kapitelplatz von Salzburg auszutragen. Nach einer Staun- und Schrecksekunde sogleich Beifall und großartige finanzielle Unterstützungszusage der ansonsten zugeknöpften Stadtväter. Denn ewig lockt die Umweltrentabilität. Salzburgs Kulisse als Tennishintergrund im Fernsehen, das ist Kultur! Bei schlechtem Wetter könnte man das Tennisspiel vielleicht im Inneren des Doms austragen.

Es gilt rasch zu entscheiden und zu handeln. Denn die Plagiatoren und Variatoren stehen schon bereit. Nicht nur Galopp von der Freudenau auf die Wiener Ringstraße, auch Motor-Grand-Prix rund um den Stephansplatz, Freistilringen am Heldenplatz, Stabhochsprung über die Pestsäule am Graben, kurzum Sport zur Revitalisierung der Altstädte, bis zum Kraulschwimmen im Stadtparkteich!

Sport ist wertvoll, Kultur ist wertvoll. Wie wertvoll ist erst die Verbindung beider! Boxen im Musikvereinssaal, Klettern am Innsbrucker Goldenen Dachl, Leichtathletik unter der Michaelerkuppel! So viele ungenützte Möglichkeiten! Im Winter ersparte man sich die Schneeräumung, wenn die Straßen der Altstadt zum Schi-Langlauf präpariert würden. Die Albrechtsrampe als Sprungschanze! Hei, das wäre doch was für eine Sportnation.

Da kann sich der nebbich Christ-kindlmarkt im November vor dem Rathaus glatt verstecken.

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