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Theater - frei Haus
Wir wollen nicht so weit gehen, die volkstümliche Bezeichnung des Fernsehens als „Patschenkino“ auch für das künstlerische Medium des Theaters abzuwandeln und zu übertragen. Aber letztlich tragen auch die mehr oder minder bildschirmgerechten Wiedergaben sogenannter Fernsehspiele oder der Aufzeichnungen regulärer Theaterinszenierungen in den Augen vieler Betrachter jenen etwas ominösen
Geschmack einer geistig-künstlerischen Nivellierung mit Bequemlichkeitshintergrund. Daß in diesem Zusammenhang das oft überschnell zitierte und bittere Omen einer Afterkunst durchaus nicht immer zutrifft, dafür gab es rund um die soeben vergangenen Pfingsttage gleich mehrere Beweise.
Gegenwartsproblematik aus dem Leben einer berufstätigen Frau und ein Hauch unaufdringlicher Romantik mischten sich in dem Fernsehspiel von Leo Lehmann „Sich selbst der Nächste“, das Michael Kehlmann mit der realistisch-kühlen Distanz eines unbestechlichen Beobachters
menschlicher Empfindungen und Spannungen in Szene gesetzt hatte. Viel Schmunzeln, aber mit jenem typisch österreichischen Schuß Melancholie durchsetzt, gab es dann um die Komödie von Hermann Bahr „Der Querulant“, der Kurt Nachmann ein paar aktualisierende und bildwirksame Tupferin aufgesetzt hatte. Und obwohl der zündende Funke des persönlichen Kontaktes via Bildschirm nicht vorhanden war, weidete man sich doch genüßlich an den schauspielerischen Eskapaden eines Attila Hörbiger, Hugo Gottschlich, Erich Auer, Edd Stavjanik und des übrigen gut gewählten Ensembles.
Den weltweiten Kontrapunkt zu dieser mehr handfesten alpenlän-dischen „Hausmannskost“ ergab dann die Wiedergabe einer Aufzeichnung der Kortner-Inszenierung von Shakespeares „Der Sturm“ aus dem Berliner Schiller-Theater. Aus reifer Lebenserfahrung und tiefer Menschenkenntnis ließen der Dichter William Shakespeare und sein szenischer Deuter Fritz Kortner ein zeitlos gültiges Monument menschlicher Güte und Weisheit erstehen, das auch in unserer hektischen und von Fieberschauern verschiedenster Art geschüttelten Gegenwart seinen Eindruck nicht verfehlte. Vor allem auch Martin Held in der Rolle des Herzogs Prospero machte diesen philosophisch-theatralischen
Welt-Spiegel zu einem besonderen Erlebnis. Lediglich die durch die Kamera bedingte räumliche Beschränkung der optischen Bühnengestaltung befriedigte uns nicht. Der globale Zusammenklang von Wort und Bild wurde einem gleichsam nur ratenweise in Ausschnitten geliefert.
Eine zeitgenössische Vision von beklemmender Dichte und Realität steuerte schließlich noch Carl Merz mit seinem Fernsehspiel ,J>assion eines Politikers“ bei, in dem Helmuth Qualtinger eine großartige Studie eines von seinem Gewissen geplagten öffentlichen Mandatars lieferte. Die vom Regisseur Otto Anton Eder bewußt eingestreuten kolportage-haften Züge verstärkten nur den oft makabren Zynismus dieser Augenblicksaufnahme unserer gesellschaftlichen Zustände.
Ein recht interessantes Experiment gab es dann in der Sphäre des Dokumentarischen. In der Serie „Das österreichische Jahrhundert“ versuchte Autor Hellmut Andics gemeinsam mit Professor Ludwig Jedlicka, dem Ordinarius für Zeitgeschichte an der Wiener Universität, das Geschehen von Mayerling so mancher rührseliger Legenden zu entkleiden. Dem Geheimnis um den Tod des Kronprinzen Rudolf, der sicher im Zusammenhang mit der damaligen ungarischen Irredenta und sonstigen politischen Zeitumständen zu sehen ist, kamen sie freilich auch nicht viel näher. Das zeigte sich in dem am gleichen Abend im Zweiten Programm ausgestrahlten Spielfilm „Kronprinz Rudolfs letzte Liebe“, der, wenn auch mit mancher Gefühlsakrobatik durchsetzt, doch ebenfalls auf diesem dokumentarisch-politischen Hintergrund basierte. Aufschlußreich auf alle Fälle, daß es selbst nach über acht Dezennien weder ernsten Wissenschaftlern noch phantasievollen Filmregisseuren gelingt, endgültige Klarheit über die Ursachen der Ereignisse jener Jännernacht von 1889 zu verbreiten.
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