6781917-1969_47_04.jpg
Digital In Arbeit

T.V.

Werbung
Werbung
Werbung

Unter dem Titel „Wie sag ich es meinem Kinde?“, pardon, „dem jungen Wähler?“, lief das mit Spannung erwartete Dreiergespräch der drei Parteivorsitzenden mit den ersteren. Wiewohl die drei eingangs beteuerten, keine Wahlreden halten zu wollen, lief es denn doch wohl nur darauf hinaus, wenigstens bei Klaus und Kreisky. Peter hatte nicht einmal so viel zu sagen, sondern erging sich in Messerscharfe, was noch weniger beeindruckte. Es gibt, erwies sich auch bei dieser Gelegenheit, eine Berufsblindheit der Politiker: sie reden zu viel von Politik, das heißt, nur von den Vorgängen auf dem von ihnen gemeinsam abgesteckten und frequentierten Tummelplatz. Und das ist, fürchte ich, nicht weit genug, insbesondere für eine Versammlung junger Menschen, die von den Führern der Politik etwas mehr als Brot- und Butterfragen, sondern in die weitere Zukunft reichende

Vistas geöffnet sehen wollen. Einige der jungen Leute, nämlich jene, die von ihren Organisationen darauf präpariert worden waren, sprachen auftragsgemäß. Anderen kam es nur darauf an, die drei Gäste zu schockieren. Einige jedoch ließen aufhorchen, so der Junge, der seine Altersgenossen darauf verwies, daß es nicht zum guten Benehmen gehöre, sich über Gäste lustig zu machen.

Anders verlief ein Siebenergespräch von politischen und universitären Finanzexperten. Es war zeitweise ein ganz hübsches Florettgefecht, wenn auch vielleicht nur für die Zuhörer, denen die Geheimsprache der Finanzwelt einigermaßen geläufig ist. Es ist merkwürdig, daß es Experten immer so schwerfällt, allgemein verständlich zu sein. Ich habe den Verdacht, daß sie es deshalb nicht sind, damit man nicht draufkomme, daß ihre Wissenschaft uns noch immer nicht das große Heil bringt.

Wenn der Rundfunk über sich selbst spricht („Postfach 7000“ über den Kurzwellen-Auslands-

dienst), dann tut er das genauso papieren und offiziös wie das amtlichste aller Ämter. Auch wenn es, wie hier, durch den mit Perlzähnchen ausgestatteten Mund der Eva-Maria Klinger geschieht. Man sollte meinen, daß eine Einrichtung wie der Auslandsdienst genug Inspiration für Einfälle liefern könnte. Allein aus den Zuschriften der ausländischen Hörer dieses Dienstes ließe sich erfahrungsgemäß eine ganz interessante Sendung bauen. Interessanterweise war der einzige, der in der Sendung so etwas wie Begeisterung für die Einrichtung vermittelte, ein echter Beamter: der Leiter des Bundespressedienstes.

Die erschütterndste Figur der vergangenen Fernsehwoche war für mich ein Journalist einer Grazer Tageszeitung. Er sollte etwas über die Resultate seiner Recherchen erzählen (es handelte sich um Unzukömmlichkeiten in einer steirischen Berufsschule). Dabei stellte sich heraus, daß der Mann keinen geraden deutschen Satz zu sprechen imstande war. Geb's Gott, daß ihm das Schreiben leichter falle als das Reden.

Wie denn überhaupt Unartiku- liertheit und Unvermögen, anders als im verschlamptesten Dialekt zu sprechen, neuerdings die Mode bei den jungen Leuten zu sein scheint. Wie das mit der sonst von ihnen verkündeten Weltzugewandtheit in Einklang gebracht wird, weiß ich nicht. Vielleicht ist Artikuliertheit wirklich nur eine Alterserscheinung, wenn man nämlich genug Zeit gehabt hat, sich über die Dinge klar zu werden. Zwei Modellprodukte jüngster englischer Filmleute erwiesen dais Zurückbleiben dieser Generation hinter den Leistungen ihrer Väter und Großväter. In Thematik und Ausführung fühlte man sich in die Anfangszeit des Stummfilms zurückversetzt. „Flora" handelte von dem Kampf eines unordentlichen Mädchens mit dem unbe- herrschtenObjekt. Haha'. „Mister Lewis” war eine Art von Schlemihl, dessen Boardinghous- Badezimmer immer besetzt ist, und der sich deshalb in ein öffentliches Tröpferibad rasieren geht. Hahaha. Und dazu hat es Chaplin und Buster Keaton und all die anderen gegeben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung