6769271-1968_47_10.jpg
Digital In Arbeit

ÜBER MEINE KUNST

Werbung
Werbung
Werbung

Emil Hansen, wie er mit seinem bürgerlichen Namen hieß, war einer der eigenwilligsten und kraftvollsten Maler der Expressionistengeneration. Er wurde 1876 in Nolde (Nordschleswig) geboren und ist friesisch-dänischer Abstammung, fühlte sich aber sein Leben lang dem deutschen Kulturkreis zugehörig. Das schützte ihn freilich nicht vor Diffamierung durch nationale und reaktionäre Kreise, die 1942 die Verhängung des Malverbotes über Nolde erzwangen. Aber Nolde, der erst 1956 gestorben ist und bis ins hohe Alter schöpferisch tätig war, erlebte noch seine Rehabilitierung und allgemein Anerkennung. Seit 1909 schuf Nolde auch eine Reihe großer religiöser Kompositionen nach Themen aus dem Alten und dem Neuen Testament. Von 1905 bis 1907 gehörte er zum Kreis „Die Brücke”, blieb aber auch in diesen Jahren ein Einzelgänger. — Die nachfolgend wiedergegebenen Aussprüche Noldes hat der Schweizer Rechtsgelehrte und Kunstsammler Hans Fehr auf gezeichnet, der mit Nolde seit 1892, als dieser an der Gewerbeschule in St. Gallen unterrichtete, eng befreundet war. Sie sind dem Erinnerungsbuch „Emil Nolde” von Hans Fehr in der List- Bücherei (vorher Verlag M. DuMont-Schauberg) entnommen. H. A. F.

Wir sprachen lange über die Motive, die ihn jeweils zum Arbeiten treiben: „Sie sind sehr verschiedenartig. Aber am besten male ich, wenn ich vor der Natur sitze, wie das Kind vor dem Sandhaufen, das aus reiner Lust am Spiel Häuschen und Türmchen aufbaut. So naiv möchte ich immer schaffen, aber das kann ich leider nicht.”

“‘Nach ėfner Unterhaltung über die Gefühle, die seine Kunst bei den Menschen auslösen möchte und sollte, sagte er: „Weißt du, mein höchster Wunsch wäre, daß die Menschen von meiner Kunst fort erissen würden wie Kinder, die hinter einer Militärmusik herlaufen. So, im brausenden Jubel möchte ich die Leute mit mir fortreißen…

Bei meinen Blumenbildern wird das Publikum sagen, daß die Farben übertrieben seien. Das ist nicht richtig. Ich stellte die Bilder einmal zwischen die Blumen selbst hinein und merkte, daß sie noch weit hinter der Natur zurückstanden. Wir wissen gar nicht, wie verbildet unser Auge ist… Am liebsten male ich im Schatten, das heißt, bei bedecktem Himmel oder in der Dämmerung. Dann sehe ich die Farben am besten. Wenn die Sonne scheint, löst sie mir Farben und Formen zu stark auf. Ich seihe dann mehr Licht als Farbe … Der Gedanke ist mir widerwärtig, daß ich populär werden könnte.

Aber dieser Gefahr bin ich ja lange nicht so ausgesetzt wie etwa Böcklin oder Thoma… Ich habe jetzt (März 1908) eine ganze Reihe von Werken, die ich gern noch einige Jahre zurückhielte. Wenn ich nicht verdienen müßte, behielte ich sie bei mir und zeigte sie nur ganz wenigen.”

In seiner Schlaftruhe in Berlin sah ich ein solches Bild. Es stellte Menschen in lebhafter Bewegung auf sehr buntem Grunde dar. „Es ist lustig”, meinte er, „wenn ich es den Bauern zeige, so machen sie unwillkürlich die Bewegungen nach. Den Bauern zeige ich es gern.”

Einmal kam er auf die neuen Bewegungen in der Kunst zu sprechen und sagte: „Eine neu aufstrebende Kunst kommt mir vor wie ein Storch, dar auffliegen will. Er kann es nur tun gegen den Wind. Mit dem Wind kommt er nicht in die Höhe.”

„Hodler soll ein Lebemann sein, sagte man mir. Als ich seine Werke sah, habe ich mir eine stille, sehr ernste Natur vorgestellt. Aber — wie enttäuscht ist man auch, wenn man mich kennenlernt, nachdem man vorher meine Bilder gesehen. Als Mensch bin ich ,etepetete”, nur in der Kunst bin ich „hopp hopp”.”

„Mit den Berliner Künstlern nicht gerne. Wenn ich mehr als eine ,halbe, Stunde mit einem zusammen bin, spricht er nur von Bilderpreisen, von der ungünstigen Lage des Bildermarktes und anderen Geldsachen. Die Kunst selbst kommt gar nicht mehr zu Worte. Es hat mir einen ungeheuren Eindruck gemacht, als ich hörte, die Münchner Künstler seien in Jubel ausgebrochen, als sie vernahmen, ihre Bilder seien auf der Heimreise von Amerika untergegangen und sie bekämen nun die Versicherungssumme. Ich hätte geweint vor Jammer.”

Ich kaufte zwei Blumenfoilder, die Nolde im April 1908 an die Ausstellung nach Dresden schicken wollte, und bemerkte, daß er die Bilder hinsenden und mit dem Vermerk .Privatbesitz” versehen könnte. „Das sieht die Ausstellungskommission nicht gerne, denn sie will verkaufen”, meinte er. „Ich hänge aber gar nicht daran, auszustellen. Eigentlich stelle ich nur aus, um zu verkaufen, damit ich leben kann. Wenn du die beiden Bilder nimmst, so habe ich vorderhand genug und brauche gar nicht auszustellen.”

„Ada, meine Frau, hat die feine Gewohnheit, geschenkte Gegenstände nie in die Hand zu nehmen, ohne etwas über den Geber zu sagen. Daher muß sie eine Gabe sofort weglegen, und sei sie noch so schön, wenn ich den Geber nicht leiden mag.”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung