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Unverwüstliche Diebskomödie

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So unbegreiflich ist es nicht, daß sich o viele große Schauspielerinnen zu ihrem Bühnenjubiläum die Rolle der Waschfrau Wolffen im „Biberpelz“, Gerhard Hauptmanns meistgespieltem Stück, erwählen. Jetzt ist Hilde Wagener, nach 40 Jahren Burgtheater, an der Reihe. Mutter Wolffen, dieses Weibsbild von runder Figur, von gutmütiger Pfiffigkeit und skrupelloser Energie, vor dem sich die Männer verstecken können, hat die Komödie berühmt gemacht und erfüllt sie heute noch mit lebendiger Spannung. Die Wolffen führt den Lebenskampf für die Familie auf ihre Weise: „Stehlen... nee. A bissei mausen, ja.“ Denn es gilt, die himmelschreiende Ungerechtigkeit zu „korrigieren“, daß die Reichen reich und die Armen arm sind. Dieses fröhliche Stiebitzen, Unterschlagen und Hehlen hatte 1893, als das Stück entstand, noch den hohen Rang des sozialen Verhängnisses. Wir können freilich die Hinterwelt der Armut nicht mehr unmittelbar miterleben. Hat man aber dieses auf einen Wirklichkeitsausschnitt reduzierte Stück Theater halbwegs von einem nicht mehr nachzuvollziehenden naturalistischen Beiwerk befreit, bleibt immer noch ein Text voll wundervoller Klarheit in der Zeichnung aller Haupt- und Nebenrollen. Denn Hauptmann war ein idealer Dichter für Schauspieler, der in Rollen dachte.

Auf die Rolle, das Charakterdrama hin, hat denn auch Theo hingen als Regisseur seine Inszenierung im Burgtheater angelegt, so daß nie Langweile und nur selten das Gefühl des Veralteten aufkam. Im Mittelpunkt stand Hilde Wagener als Wolffen, mit dem Text völlig identisch, in jeder Hinsicht überzeugend (wenn sie auch nicht gerade der Typ der Wolffen ist). Ihr hinreißender Partner war Theo Lingen als nur mäßig karrikierter Wehrhan: ein eitler Dummkopf, ein aufgeblasener und zerfahrener Bürokrat, große Schnauze und kleines Gehirn. Aus dem durchwegs guten Ensemble seien Hermann Thimig als Rentier Krüger, Otto Schmäle als Wolff, Monika Bleibtreu und Ulli Feßl als die beiden Gören der Wolffen hervorgehoben. Bühnenbilder und Kostüme stammen von Fritz Judtmann.

Es gab stürmischen Beifall, vor allem für Hilde Wagener, die vor den Vorhang kam und in einem anschließenden Festakt auf der Bühne Beweise herzlicher Verehrung entgegennehmen konnte. Sie selbst, die große Künstlerin, Gründerin und Leiterin des so überaus verdienstvollen Hilfswerkes „Künstler helfen Künstlern“, beschwor in ihrem Schlußwort die Musen und alle guten Geister, über dem Burgth<*ate.r zu wachen. tt*tti) br> 9si

„Mein Stück, .Der gläserne Pantoffel'“, erklärte Franz Molnär, „ist eine Art städtisches Volksstück, ein Lustspiel, das stellenweise in eine Karikatur, in eine Komödie überschlägt.“ Er wollte es in die Nähe von „Liliom“ gerückt wissen, denn auch hier seien „das Leben, die Freuden und Leiden der armen Leute, der kleinen Leute“ behandelt. Aber das Vorstadtmär-chen vom Hutschenschleuderer Liliom rangiert doch um etliches* über dem Vorstadtmärchen von der Dienstmagd Irma, die sich, noch ein halbes Kind, mit ihrer unbedingten, alles überwindenden reinen Liebe den „Prinzen“ ihres Herzens, den „lieben Piloten“ ihrer Traumlandschaft, in Wahrheit den rüden Möbeltischler Sipos gegen dessen resolut nüchterne Zimmerfrau Adele erkämpft. Das spielt sich, mit 20 Neben- und Episodenfiguren garniert, in drei Akten ab und steht und fällt doch mit der Darstellerin der Irma, der exaltierten Märchenprinzessin in Aschenbrödelgestalt.

Das Theater in der Josefstadt hat das Glück, für diese schwierige Rolle Marianne N entwich, eine blutjunge Schauspielerin voll rührender Natürlichkeit einsetzen zu können, die so ziemlich alles glaubhaft macht. Erik Frey als Regisseur brachte das Stück in Bühnenbildern von Gottfried Neumann-Spallart wirkungsvoll über die Bühne. Sehr gut Kurt Heintel als der. wider Willen verehrte und eroberte Zimmerherr, gut“ Grete Zimmer als Hie schließlich verzichtehW Gattin; um. nur die Hauptdarsteller von den mehr als zwei Dutzend Mitwirkenden zu nennen. Der Beifall galt einem gelungenen Theaterabend.

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