Leila Slimani - © Foto:  picturedesk.com / AFP / Lionel Bonaventure

Vom bourgeoisen Scheinfrieden

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Die französisch-marokkanische Autorin Leïla Slimani wurde durch „Dann schlaf auch du“ bekannt. Nun liegt auch ihr Debütroman auf Deutsch vor.

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Die französisch-marokkanische Autorin Leïla Slimani wurde durch „Dann schlaf auch du“ bekannt. Nun liegt auch ihr Debütroman auf Deutsch vor.

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Im Jahr 2016 schob sich die 1981 im marokkanischen Rabat geborene und heute in Paris lebende Leïla Slimani in die erste Reihe der ohnehin seit einiger Zeit wieder stark beachteten französischen Autoren. Für ihren Roman „Dann schlaf auch du“ erhielt sie den Prix Goncourt, und um das Ende dieses als analytisches Drama angelegten Buches machte sie kein Geheimnis: Mit dem allerersten Satz „Das Baby ist tot“ erstickte sie jede Hoffnung im Keim. Auf den gut zweihundert Seiten, die folgen, entfalten sich langsam die Voraussetzungen einer schrecklichen, fatal endenden Geschichte. Zwei Kinder – Mila und Adam Massé – werden in ihrem Zuhause getötet, und um die Täterin aufzuspüren, braucht es keine detektivischen Fähigkeiten: Louise, Mitte vierzig, Kindermädchen der Massés, ist die Schuldige, deren Versuch, sich danach selbst das Leben zu nehmen, scheitert.

Angesiedelt ist der Roman in Paris, rechts der Seine, im 10. Arrondissement. Schritt für Schritt entwickelt sich das Drama einer überforderten Familie in scheinbar gesicherten bürgerlichen Verhältnissen. „Dann schlaf auch du“ erwies sich zum einen als Sozialstudie über Aufstiegshoffnungen, Abstiegsängste und ein erstaunlich vitales Klassensystem. Zum anderen besitzt der Roman eine – wenn man so will – erkenntnistheoretische Ebene, auf der deutlich wird, wie undurchschaubar das Gegenüber ist, wie unmöglich es ist, alle psychischen Verästelungen des anderen wahrzunehmen und vor allem in seinen Konsequenzen zu erahnen.

Ein kompliziertes Doppelleben

Nach dem Erfolg dieses Prix-Goncourt-Romans legt ihr deutscher Verlag nun nach. Zwei Jahre zuvor, 2014, hatte Slimani mit dem nun auf Deutsch vorliegenden Roman „All das zu verlieren“ debütiert, der die Qualitäten dieser Autorin und ihren sezierenden Blick in gesellschaftliche Abgründe zumindest andeutet. Der weichgespülte deutsche Titel freilich verharmlost, wovon Slimani erzählt. Im Original heißt das Buch „Dans le jardin de l’ogre“ – ein Bild, das in einer zentralen Passage aufgegriffen wird: „Sie will nur ein Objekt inmitten einer Meute sein. Gefressen, ausgesaugt, mit Haut und Haar verschlungen werden. Sie will in die Brust gekniffen, in den Bauch gebissen werden. Sie will eine Puppe im Garten eines Ungeheuers sein.“

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