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Das Problem mit dem Kind

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Als das Fernsehen begann, bei uns seine ersten bescheidenen Bildexperimente in den Äther zu strahlen, gab es viele Eltern, die ihren jungen und jüngsten Sprößlingen den „Genuß“ der Bild-schirmflimmerei rigoros untersagten. Zugegeben, daß in diesen Pioniertagen das Programm überwiegend nur auf die Mentalität der Erwachsenen zugeschnitten war und wenig Rücksicht auf die kindliche Psyche nahm. Freilich regte dieses strikte Verbot, das in manchen Familien bis heute noch nicht gefallen ist, die kindliche Neugier und Phantasie erst recht an.

Die Schulleistungen selbst der Taferlklaßler ließen rapid nach, weil der vielversprechende Nachwuchs nach fasziniert und halb durchwachter TV-Nacht übermüdet und unkonzentriert zu morgendlicher Stunde vor den kritisch forschenden Blicken ihrer mehr oder minder strengen Lehrer erschien, um sie dann mit den abwegigsten Fragen über das in den zwölf Stunden Gesehene zu attackieren. Inzwischen hat sich die Situation wesentlich gewandelt. Von fortschrittlichen Pädagogen und Psychologen aufgestellte Kinder- und Jugendprogramme bemühen sich, dieses Medium bewußt und folgerichtig für die geistige und charakterliche Erziehung kommender Generationen einzusetzen. Beinahe zwei Nachmittage in der Woche sind Kindern und Jugendlichen vorbehalten, in denen sie vom Märchen bis zur Beatshow ihre optischen Wünsche stillen können. Dazu gesellen sich dann noch in das normale Tagesprogramm eingestreute Sendungen, die nach Inhalt und Tendenz vollkommen auf die kindliche Mentalität abgestellt sind. Zu ihnen gehört in erster Linie die allabendliche Gutenachtsendung, die trotz ihrer Kürze ein enormes Einfühlungsvermögen in die kindliche Gedankenwelt erfordert, wenn sie ihre erzieherische Aufgabe erfolgreich erfüllen soll und zugleich auch von den kritischen Kinderaugen ehrlich interessiert aufgenommen wird. Denn das Kind ist in diesen Belangen kompromißlos und unbarmherzig. So fanden zum Beispiel die eine Zeitlang gezeigten gezeichneten Erlebnisse eines Geschwisterpaares, mit denen man gleichzeitig eine unbewußte Hinlenkung der kindlichen Betrachter zu einer modernen abstrahierenden Darstellungsweise verbinden wollte, nur sehr geringen Anklang. Die Kleinen spürten mit instinktiver Sicherheit die Konstruktion und Manipulation, die ihnen von vornherein suspekt waren, ohne daß sie sich darüber im Detail mit rationalen Erwägungen Rechenschaft ab-legen konnten oder wollten. Dagegen ist ihnen zum Beispiel die gegenwärtig laufende Serie von den Abenteuern des kleinen Petzi mit seinen Großeltern ausgesprochen sympathisch. Wobei man zugeben muß, daß diese Sendereihe auch aus pädagogischer Sicht überaus geschickt und eindringlich gestaltet ist, was' unter anderem in jener Folge, in der man sich mit dem heiklen Problem der kindlichen Lüge beschäftigte, besonders deutlich wurde.

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