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Ionescos Todesangst

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TAGEBUCH. VON EUG&NE IONE-SCO. Hermann-Luchterhand-Verlag GmbH., Neuwied und Berlin. 248 Seiten. DM 16.80.

In diesem Buch wird man Zeuge der persönlichsten Bedrängnisse Ione-scos, seiner inneren Not. Mit Überraschung liest man, daß er das Theater nicht als seine eigentliche Berufung ansehe, der Gedanke schreiben zu müssen, erfülle ihn einfach mit Grausen. Wörter schaffen nur Verwirrung, erklärt er, sie seien nicht das Wort.

So schreibt er „schwarze“ Dramen in der Hoffnung Erleichterung zu

finden. Denn er habe sich im Leben nie wohl gefühlt, arge Müdigkeiten konnte er nie überwinden, eine fürchterliche, panische Angst überfällt ihn, sobald es Nacht wird. Vor allem ist es der Gedanke an den Tod, der ihn ängstigt und erbittert zugleich. Seit jeher fürchte er sich davor. Aus diesem persönlichen Erlebnis schließt er auf die Menschheit und meint, das Grauen und die Wut über die Sterblichkeit habe sie zu dem gemacht, was sie ist Aber Ionesoo weiß zugleich, daß der Todestrieb im Herzen alles Lebendigen existiert und daß wir nicht abgeschnitten sind von der Unsterblichkeit. Wohl nur er konnte das Stück „Der König stirbt“, diese abendlange Auseinandersetzung mit dem Tod, schreiben.

Die Stellung des Menschen gegenüber dem Geheimnisvollen rings um uns wird in diesen Tagebuchnotizen Ohne Datierung besonders bewußt gemacht. Ionesco bedrängt die Rätselhaftigkeit des eigenen Ichs, des eigenen Daseins. Ob dieses Ich überhaupt existiere, fragt er. Je mehr es es selbst zu erklären suche, desto weniger begreife er sich. Werde er sterben ohne sich gekannt zu haben? Manchmal hat er den Eindruck, er sei an der Grenze der Existenz gewesen, an der Stelle, wo die Dinge ihren Namen, ihre Bestimmung verlieren, wo die Zeit stillsteht. Aber dann sagt er sich wieder, jede seiner Begegnungen mit der Welt sei nur Projektion seines Ichs in die Materie Welt, er habe den Eindruck, daß die Ereignisse in ihm selbst stattfinden.

Nun, die Realität des „Realen“ gehört tatsächlich zum Unerforschlich-sten, trotz aller kernphysikalischen Erkundungen oder gerade durch sie. Bitter stellt Ionesco fest, daß die Erkenntnis der Realität unmöglich sei. Wozu aber, fragt er nun, sei dann dieses Begehren nach Erkenntnis? Da läge nahe, die Welt als absurd zu bezeichnen. Davor scheut er aber zurück. Das wäre lächerlich, meint er, wir seien nicht klüger als der Schöpfer.

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