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Literaturgeschichten

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Oscar Wilde war nach dem großen Erfolg seines „Dorian Gray“ sehr von sich eingenommen. Und blieb es.

Ein Bekannter besuchte ihn und erzählte: „Ich war vor ein paar Tagen auf einer Versammlung, die mich interessiert hat.“

„Inwiefern?“

„Es war eine Versammlung von Romanautoren. Alle englischen Romanschriftsteller waren anwesend, nur Sie nicht.“

„Es war also kein einziger da, der wirklich schreiben kann“, sagte Wilde sehr sachlich. ♦

Nach dem Tode Ludwig Börnes veröffentlichte Heinrich Heine sein Buch „Heinrich Heine über Ludwig Börne“, das die Empörung aller erregte, die wußten, wie freundschaftlich und selbstlos Börne einst den jüngeren Heinrich Heine gefördert hatte. „Ein respektloses und undankbares Machwerk ist Ihr Buch“, warf einer einer Freunde dem eitlen Verfasser vor.

Heine lächelte: „Aber Ist es nicht schön geschrieben?“

Anafole France hatte viel Humor und eine große Vorliebe für antiquarische Bücher. Als er eines Tages — das war seine Lieblingsbeschäftigung — in dem Inhalt eines'Bücherwagens wühlte, fand er eines seiner eigenen Werke, und als er den Band aufschlug, sah er auf der ersten Seite zu seiner Ueberraschung eine von ihm eigenhändig geschriebene Widmung: „In besonderer Verehrung! Der Verfasser.“

Sofort erinnerte er sich, wem er das Buch geschenkt hatte. Er kaufte es dem Antiquar ab, und am nächsten Tage wurde der schnöde Freund, der es dem Bücherkarren überantwortet hatte, durch ein Paket von Anatole France überrascht. Es enthielt das verhökerte Buch, und unter der ersten Widmung stand eine zweite: „Nochmals in besonderer Verehrung. Der Verfasser.“

Bevor Heinrich von Kleist seine Werke zur Veröffentlichung gab, pflegte er sie sich vorlesen zu lassen, um sie selbst besser beurteilen zu können. Als Vorleser bevorzugte er seinen Freund Ferdinand August Hartmann.

„Warum lassen Sie gerade Hartmann lesen?“ fragte erstaunt ein Bekannter, der einer Vorlesung der „Hermannschlacht“ beigewohnt hatte.

„Er liest so entietzlich schlecht“, antwortet Kleist, „daß, wenn meine Sachen mir dann immer noch gefallen, sie wirklich gut sein müssen!“

Auf Schloß Friedelhausen an der Lahn ging das Gespräch um die Frage: „Was ist wirklich schön?“

Rainer Maria Rilke sagte: „Die Schönheit gleicht einem Schmetterling, der gewisse Dinge bevorzugt, auf die er sich setzt, und sie werden schön.“ Die Schloßherrin wollte des Dichters Wort erläutern und setzte seinen Satz fort: „Die Schönheit verleiht den Dingen einen schönen Stil, und vielleicht ist jeder Stil im Grunde schön.“

Die achtzigjährige Gräfin Schulenburg war anderer Ansicht: „Stil ist ein Maß, das wir an die Dinge herantragen und das die Dichter in die Dinge hineintragen, um sie zu formen.“

Rilke sah die Greisin mit seinen großen blauen Augen erstaunt an: „Dann wäre ich selbst der Schmetterling ... ?“

Man saß nach der Münchner Erstaufführung von Max Halbes „Mutter Erde“ zur Premierenfeier zusammen.

„Max“, sagte Frank Wedekind zu dem hochgestimmten Autor, „das ist das beste Stück, das du bis jetzt geschrieben hast!“

„Es freut mich, Frank, daß du mein Stück gut findest“, sagte Halbe erfreut über das aus diesem Munde ungewöhnliche Lob.

„Ich habe nicht gesagt, daß das Stück gut ist“, erwiderte Wedekind. „Ich habe nur gesagt, es ist das beste, das du bis jetzt geschrieben hast.“

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