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Vor Wochen wurde an dieser Stelle die Hoffnung geäußert, das Fernsehen möge des 40. Jahrestages der tragischen Ereignisse von 15. Juli 1 9 27 in angemessenerer Form als bloß mit einem Hinweis in der humoristischen Sendung „Erinnern Sie sich noch?“ gedenken. Was wir damals wünschten, hatte das Fernsehen schon längst bedacht. Am vergangenen Samstag, dem Jahrestag, wurde eine eigene Sendung zum 15. Juli ausgestrahlt, verfaßt von Hellmut Andics, dem das Fernsehen schon eine Reihe hervorragender zeitgeschichtlicher Sendungen verdankt.

Natürlich kann eine Sendung von einer Stunde nicht alle Erwartungen erfüllen, nicht all das bringen, was man sehen möchte, gewiß könnte man zum 15. Juli eine ganze Sendereihe machen und der Autor hätte sicher Material genug zur Verfügung gehabt. Das Problem solcher Sendungen wird immer im Weglassen bestehen. Im großen und ganzen wird man sagen müssen, daß man sich im wesentlichen diese Sendung nicht besser hätte können vorstellen,

Verhältnismäßig ausführlich wurde dankenswerterweise auf die Vorgeschichte, auf die Ereignisse in Schattendorf, eingegangen, um zu zeigen, aus welcher überhitzten Atmosphäre die tödlichen Schüsse fielen. Die Überlebenden selbst konnten heute auch nicht viel mehr dazu sagen. Sie hatten sich gefürchtet und da hatten sie eben geschossen. Der Freispruch von' den Geschworenen war einer der vielen Freisprüche, die die Geschworenen damals fällten, leider müssen wir sagen, nicht nur damals. Daß dieser Freispruch dann zu so entsetzlichen Folgen führte, war eine typisch österreichische Tragödie, aus Gwirkst und Schlamperei.

Interessant dabei waren besonders die Aussagen des damaligen Schutzbundführers, des Staatssekretärs a. D. Dr. Julius Deutsch, wie er im ständigen Kontakt mit Polizeipräsident Schober den Zusammenstoß zwisdhen Demonstranten und Polizei verhindern wollte. Beide Seiten schienen sich der Verantwortung bewußt zu sein, beide wollten das Ärgste verhüten. Es ist nicht gelungen. Interessant auch und ein neuer Zug im Bild des Heeresministers, Carl Vaugoin, daß er sich standhaft geweigert hatte, der Polizei Waffen aus Heeresbeständen auszufolgen. Vielleicht hätte ein wenig stärker darauf eingegangen werden können, wieso es dann zu dem furchtbaren Blutrausch der damals noch fast geschlossenen sozialistisch organisierten Polizei gekommen war. Die Sendung schloß mit der Richtigstellung des Schimpfwortes vom „Prälaten ohne Milde“. Vielleicht hätte man noch hinzufügen können, daß dieses böse Wort vom Prälaten ohne Milde zum Schlagwort der massivsten Kirchenaustrittspropaganda der Ersten Republik verwendet wurde und damit erst recht den Bruch zwischen Kirche und Arbeiterschaft unheilbar machte, bis später ein noch größeres Leid auf beiden Seiten eine tiefere Einsicht Platz greifen ließ.

Die Chefredakteure befaßten sich mit der wirtschaftlichen Rezession und den Möglichkeiten ihrer Behebung, ein Thema, bei dem sie absolut überfordert waren. Ihre Stärke ist die Politik, vor allem die Innenpolitik. Über alles andere können sie meist nur aus zweiter Hand reden. Mit vielen Wiederholungen schleppte sich die Sendung mühsam /ort.

Im Sommer gibt's leichte Kost. Das bedeutet auf der Bühne meist Frivolitäten, beim Fernsehen sollte man etwas vorsichtiger sein. Das Fernsehstück „Tagebücher“ mag vielleicht auf einem alten italieni-chen Novellenstoff basieren, es in die Wohlstandsgesellschaft zu transponieren, mag für einen Lustspielautor reizvoll sein. Warum aber ein Stück, in dem durch den Kunstgriff des Tagebuchschreibens enthüüt wird, daß jeder mit jedem ein Verhältnis hat, quer durch die ganze Familie und quer durch die sozialen Ränge, sich auf den Fernsehschirm verirrt, ist unverständlich. Es wäre auch dann nicht witziger gewesen, wenn es witziger gespielt worden wäre als hier. Wozu also?^

Freunde des Altwiener Theaters werden ihre Freude gehabt haben an dem Pawlatschenspiel vom „Fiesko, der Salamikra-m e r“ von Alois Gleich.

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