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Schwere Leichtigkeit

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Mindestens ebenso wichtig wie immer neue und gute Einfälle, sind für Gedeih und Erfolg einer satirischen Sendereihe ein fester, gleichbleibender Rahmen, welcher die Hervorbringung von Einfällen ermöglicht und provoziert. Ein Musterbeispiel hierfür bietet der „W atschenman n“, mit dem der Hörfunk einen weiten Vorsprung gegenüber dem Fernsehen und allen dessen bisherigen kabarettistischen Unternehmungen besitzt. Nicht daß sich Watschenmannschaft dieses so glücklich gefundenen, sicherlich aber auch erarbeiteten festen Rahmens genügen ließe, der natürlich auch die Gefahr der „Masche“, der Routine mit sich bringt. Die glorreiche „Politische Tanzstunde“ in der jüngsten Sonntagssendung bewies, daß das Team sich immer wieder Neues für diesen Rahmen einfallen läßt.

Derlei haben die Schöpfer der neuen Käbarettsendung des Fernsehens, „Die 69er“ nicht beachtet und zu Ende gedacht. Wiewohl der Pressedienst des Fernsehens es anders behauptet, bildet der Einbegleiter der einzelnen Nummern der Sendung, Paul Hoffmann, faktisch deren Rahmen. Der Pressedienst des Fernsehens weist darauf hin, daß es sich hier um kein Kabarett handle und daß bewußt auf eine Kammerspielform verzichtet werde. Just dies und nichts anderes verlangt der durch den so bedeutsamen Conferencier gebildete Rahmen: ein verfeinertes Brettel mit den besten und repräsentativsten Kräften. Etwas im Stile der alten „Sieben Scharfrichter“ zu München, wo Autoren wie Wedekind, Mühsam, Wolzogen und andere neben den feinsten Diseusen vom Schlag einer Ciaire Waldorf und Plauderer vom Schlag eines Morgan oder Grünbaum auftraten. Nun haben wir es aber heute mit Fernsehen zu tun, das nach Entfesselung sämtlicher räumlicher und zeitlicher Dimensionen, nach Ausnützung des ganzen Affenhauses den heute möglichen technischen Tricks schreit. Davon ist in den „69ern“ wenig zu bemerken. Die Regie ist anspruchslos und ärmlich, die versprochenen photo-graphischen Elemente zur Verbindung der Nummern untereinander beschränken sich brav auf je ein Symbol pro Nummer, das hintereinander in das Buch eingeklebt wird, aus dem Herr Burgtheaterdirektor Paul Hoffmann uns vorliest. Ich weiß nicht, wie sich die Macher dieser Sendung aus diesem durch wenig Bedenken entstandenen Bruch und Dilemma ziehen könnten. Konsequenterweise müßten sie auf das eine oder das andere verzichten: entweder auf Herrn Hoffmann oder auf den angestrebten Revuecharakter. Wie die Dinge bei uns sind, werden sie sich weder zu dem einen noch zu dem anderen entschließen. Und so wird dieser „Versuch, die 70er zu erreichen“, fürchte ich, wie mancher andere bedeutend früher enden. Vielleicht aber geschieht ein Wunder. Apropos Wunder: Herr Portisch hat in seinem jüngsten Wochenkommentar nur einmal das Adjektiv „ungeheuer“ verwendet.

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