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Zwei lyrische Ernten

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Zwei Dichter, ein süd- und ein norddeutscher, faßten in der Mitte des Lebens — der eine zählt jetzt 43, der andere 53 Lebensjahre — ihr bisheriges lyrisches Werk (jeder drei Einzelbände) zusammen; und zwei eng verbundene Verlage brachten diese Sammelbände vorbildlich liebevoll und edel in der Ausstattung heraus, vergleichbar etwa den lyrischen Gesamtausgaben, die seinerzeit der Insel-Verlag von Hans Carossa und Friedrich Schnack veranstaltete. Es handelt sich in beiden Fällen um Ermächtigte, dazu bestellt, „nach dem Unedlichen zu fragen in all der Endlichkeit der Welt“. Die Antwort, die 6ie darauf erhielten, ist nun — eine gute Lese, eine reiche Ernte — in den beiden „Summen“ eingebracht. Goes, der Schwabe, ist geborgener; Kindheit, Heimat, Christus geben ihm lebenslang Geleit. („Das Kreuz nur dauert: mildes Holz der Gnade.“) Hausmann ist elementarer, umgetriebener, er muß gleichsam immer wieder hinaus: in den Nebel, in die Dämmerung, in die See, in „Ferne und Gefahren“. („Wer des Lichts begehrt, muß ins Dunkel gehn. Was das Grauen mehrt, läßt das Heil enstehn. Wo kein Sinn mehr mißt, waltet erst der Sinn. Wo kein Weg mehr ist, i6t des Wegs Beginn.') Goes ist geist- und traditions-

bestimmter, Hausmann naturbedingteri steht jener vor allem den Liedmeistern seines Stammes am nächstem, insbesondere Mörike, Christian Wagner und Hesse, ferner Mozarts Musik und den intimen Kleinkunstwerken Dürere, so dieser dem Volkslied, dem Bänkel-6ang, dem Schifferklavier; ja manche von Hausmanns frühen Gedichten sind selber schon beinahe volkstümlich geworden, „Trost“ zum Beispiel, „Ein Augenblick“ und „Der Hütejunge“. Aber gerade Hausmanns Sammelband unterstreicht jetzt auch seine Meisterschaft des Gedankengedichtes und der strenggebauten Strophe, Sonett und Terzine nicht ausgenommen. Beide Lyriker verdanken übrigens formal und thematisch vieles der Antike, so wie das Christentum beide in die Pflicht nahm, das „Antlitz des Menschen“ zu lieben, das „Versehrte und dennoch unendlich getroste“. Da beide Dichter „das lebendige Wort“ besitzen, sind die beiden „Summen“ denn auch solche im weiteren Sinn; hier gibt's nämlich — sät venia verbol — eine Menge zu lernen für die Mitstrebenden sowohl wie für die Nachkommenden, für Konservative und Avantgardisten.

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