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Zykans Musiksalon

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Der durch eine große und mehrere kleine Pausen unterbrochene, etwa zweistündige Abend mit dem Titel „Salon 3“ bestand aus insgesamt acht Nummern, wenn wir die „Übungen zur Lockerung des Publikums" mitzählen ... Zunächst gab es unter dem Titel „Sonate für einen Vortragenden“ eine Art Statement, in dem Zykan auf ein bereits in seiner Anti-Oper behandeltes Thema „Warum ist Singers Nähmaschine die beste?“ zurückkam. Mehr in der Art eines Conferenciers als in der eines Theoretikers oder Thesenverkünders plädierte Zykan dafür, daß künftig die Qualität einer Komposition nicht nach dem Grad der Geschicklichkeit, sondern nach dem Grad der Naivität (ihres Autors) zu werten sei. Denn die Naiven wüßten zwar weniger, vermuteten aber mehr...

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Der durch eine große und mehrere kleine Pausen unterbrochene, etwa zweistündige Abend mit dem Titel „Salon 3“ bestand aus insgesamt acht Nummern, wenn wir die „Übungen zur Lockerung des Publikums" mitzählen ... Zunächst gab es unter dem Titel „Sonate für einen Vortragenden“ eine Art Statement, in dem Zykan auf ein bereits in seiner Anti-Oper behandeltes Thema „Warum ist Singers Nähmaschine die beste?“ zurückkam. Mehr in der Art eines Conferenciers als in der eines Theoretikers oder Thesenverkünders plädierte Zykan dafür, daß künftig die Qualität einer Komposition nicht nach dem Grad der Geschicklichkeit, sondern nach dem Grad der Naivität (ihres Autors) zu werten sei. Denn die Naiven wüßten zwar weniger, vermuteten aber mehr...

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Mit fünf Nachtstücken in kammermusikalischer Besetzung (bis zu 6 Instrumenten) fing das Konzertprogramm sehr verheißungsvoll an. Zykan schrieb diese reizvollen lyrischen Piecen, wie er selbst sagt, „auf der Suche nach der durch Beeinflussung und Konformismuszwang ’“•verlorenen Persönlichkeit“. ‘Hierauf „P8femlS'ęRe?’’i 'iė”e für vier Stimmen über den bekannten Satz Schönbergs „Ich habe eine Erfindung gemacht, die die Vorherrschaft der deutschen Musik für die nächsten hundert Jahre sicherstellt“. In der karikierenden Art, wie Zykan diesen Text behandelt, kommt sein ambivalentes Verhältnis zu Schönberg zum Ausdruck, an dessen Werk der junge Musiker geschult ist und das er als Konzertpianist mit Vorliebe interpretiert.

Nach Abschluß des Zykan-Teiles folgten als Zäsur „Übungen zur Lok- kerung des Publikums“ nach einem Aktionsplan, den man, auf Glanzpapier gedruckt, zugleich mit dem Programm bekam. Man möge während der Pause — erst leiser, dann immer lauter sprechend — sich mit seinen Nachbarn unterhalten, dann herumgehen, um Bekannte, aber auch Fremde zu begrüßen, auch Singen ist erlaubt, man möge sich mit den ausführenden Künstlern unterhalten, Fragen an sie richten und zum Vortrag bestimmter Stücke auffordern. Unterdessen spielte ein kleines Ensemble die MOB-Stücke op. 21. von Heinz Karl Gruber, also eine Art „musique d'ameublement“, wie sie vor fast 50 Jahren bereits Erik Satie geschrieben hatte.

Über die nach der Pause folgenden Chansons nach Texten von Bietschacher sagt der Komponist Heinz Karl Gruber: Die im Konzertsaal vorherrschende Fadaise mache ihm den Abschied von der „ewigen Kunst“ leicht. Er bevorzugt ein unmißverständliches Vokabular und bekennt sich, mit seiner Vorliebe für Melodie und Rhythmus, als Reaktionär. Doch leugnet er Anregungen durch „moderne“ Komponisten keineswegs: „Ich denke ans Zwölftonseminar, verweile bei den Beatles, Mothers of Invention, Strawinsky, Varese, Weill...“ Den für ihn wichtigsten Namen nennt Gruber zum Schluß. Die Entdeckung dieser Wiederanknüpfung war für den Referenten der eigentliche Gewinn des Abends. Kurt Weill, bevor er nach Amerika gehen mußte —, das ist eine fündige Ader. Gruber hat sie für sich entdeckt und hat, auf der Weillschen Diktion aufbauend, eine Reihe überaus reizvoller und origi neller Chansons geschaffen, die von einem kleinen Instrumentalensemble begleitet werden. „Ich hoffe", schrieb er auf einen Zettel, den er mir übergab, „daß das eine oder andere Chanson in meinem neuen Musical verwendbar ist und freue mich, daß meine Musik und das neue Arrangement für ,Salon 3' auch meiner Braut gefällt...“

Den Beschluß bildeten Chansons nach Steiger von Zykan und ein Zyklus von Liedern nach Gedichten H. C. Artmanns von Kurt Schwert- sik. Zwischen diesen beiden Zyklen trug Eva Pilz Lautgedichte von Peter Greenham vor — und hatte damit den lebhaftesten Publikumserfolg des Abends. Apropos Publikum: Es bestand zum größten Teil aus jüngeren Leuten, die sich gut unterhielten und die sowohl den Komponisten als auch den Ausführenden (die einen of.t mit den andern identisch, insgesamt 15 an der Zahl) freundlich applaudierten.

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