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Kantate und Collage

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Anläßlich seines 100. Geburtstages und der 20. Wiederkehr des Todestages im Mai dieses Jahres haben wir unter dem Titel „Zwischen den Zeiten” (in Nr. 19 der „Furche”) Persönlichkeit und Werk Hans Pfitzners ausführlich gewürdigt. Auch unsere Konzertveranstalter und der Rundfunk haben diese Daten wahrgenommen und Pfitzner-Aufführungen veranstaltet. Weitere werden folgen, so zum Beispiel im Musikverein die hierorts fast unbekannte Kantate „Das dunkle Reich” (am 12. Oktober).

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Anläßlich seines 100. Geburtstages und der 20. Wiederkehr des Todestages im Mai dieses Jahres haben wir unter dem Titel „Zwischen den Zeiten” (in Nr. 19 der „Furche”) Persönlichkeit und Werk Hans Pfitzners ausführlich gewürdigt. Auch unsere Konzertveranstalter und der Rundfunk haben diese Daten wahrgenommen und Pfitzner-Aufführungen veranstaltet. Weitere werden folgen, so zum Beispiel im Musikverein die hierorts fast unbekannte Kantate „Das dunkle Reich” (am 12. Oktober).

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Im Großen Konzerthaussaal wurde am vergangenen Freitag unter der Leitung des 83 jährigen Robert Heger, der von 1925 bis 1933 Chefdirigent der Wiener Staatsoper war, eines der Hauptwerke Pfitzners aufgeführt, die romantische Kantate „Vo-7! Deutscher Seele”. Noch vor dem ersten Weltkrieg, als Pfitzner Generalmusikdirektor in Straßburg war, hatte er einzelne Eichendorff-Lieder vertont; 1921, am Ammersee, schuf er eines seiner Hauptwerke: das abendfüllende Liederspiel, das man nicht gern einen Eichendorff-Zyklus nennen mag, weil es eine neue Kunstform darstellt, in der sich nach poetisch-musikalischen Gesetzen Sololieder, Chöre und Orchesterstücke zusammen- und ineinander- fügen. Erst im nachhinein haben sich die guten konzertgerechten Proportionen herausgestellt: Jeder der beiden Teile dauert 45 Minuten, bei beiden gibt es nach einer Viertelstunde eine größere Zäsur.

Aber während sich in „Mensch und Natur” ein gewaltiger Bogen bis zum Ende spannt, gibt es in „Leben und Singen” zehn Minuten vor Schluß einen zweiten Einschnitt, der leider auch einen bedeutenden, kaum erklärlichen Niveauabfall bezeichnet — so, als hätten hier den Komponisten alle guten Geister verlassen, die ihm in den vorangegangenen Teilen eine so großartige, suggestive, verinnerlichte und ausdrucksvolle Musik eingegeben haben. Man müßte alle Lieder und Chöre aufzählen, um keine der Schönheiten zu übergehen: vom Eingangsspruch über „Abend und Nacht”, kulminierend im Liederteil bis zu „Die Nonne und der Ritter”.

Manche Zwischenspiele muten uns heute ein wenig zu programmusika- lisch an, und der Triumphmarsch nach „das Land ist ja frei” sowie die ganze Schlußapotheose sind nicht nach unserem Geschmack. Doch auch dies ist eine Seite des Pfitzner- schen Wesens, seiner Persönlichkeit und Eigenart. Am besten gelingt ihm und entsprach seinem philosophisch wohlfundierten Pessimismus das Elegische, Weitabgewandte, Träumerisch-Versponnene. Wo er lustig oder „positiv” wird, verläßt ihn nicht nur sein Genius, sondern auch der gute Geschmack. Es gibt die „Extreme”, von denen der kluge Programmkommentar spricht, nicht nur im Leben Pfitzners, der jahrzehntelang Streitobjekt (und Mitstreiter) in den Auseinandersetzungen zwischen Nationalismus und Avantgardismus war, sondern diese sind, gewissermaßen, auch werkimmanent.

Die Aufführung unter der Leitung Robert Hegers, durch das OFR-Sym- phonie-Orchester und die Singakademie (bei der die Frauenstimmen zu stark überwogen) sowie die vorzüglichen Solisten Kcm Lövaas, Sopran, Ingrid Mayr, Alt, John van Kesteren, Tenor, und Otto Wiener Baß, ließ kaum einen Wunsch offen — höchstens den, daß am 1. November um 20 Uhr möglichst viele Musikfreunde das Werk in einer Aufzeichnung des österreichischen Rundfunks hören mögen.

Seit es bei den Philharmonikern die sogenannten „Komponistenkonzerte” gibt, finden sich in den Programmen der Abonnementkonzerte immer mehr neue Werke. Heuer stehen nicht weniger als sieben in der Vorschau. — Einem Kompositionsäuf- trag der Philharmoniker folgend, schrieb Boris Blacher das Orchesterstück „Collage”. Der Komponist, Jahrgang 1903, baltenideutscher Abstammung und seit vielen Jahren in Berlin lebend, erläutert im Programmheft selbst die überaus kunstvolle Machart seines neuen Werkes: als „Versuch, zwei diametral verschiedene Formprinzipien, und zwar das der geschlossenen und das der offenen Form, zu integrieren”. Auch dachte er bei der Komposition an das Concerto grosso und wollte den philharmonischen Streichern besonders dankbare Aufgaben stellen. Die Harmonik des einen Teils empfindet er als spannungslos, dagegen sind „in dem als Collage darübergesetzten Teil die Spannungen hauptsächlich harmonischer Natur”. Da aber der Hörer zwangsläufig das sich auf den beiden Ebenen getrennt Abspielende gleichzeitig vernimmt, vermag er das alles nicht so genau zu apperzi- pieren und hört, zwischen der Symphonie in B-Dur von Joseph Haydn und der 2. Symphonie von Schumann, dirigiert von Georg Solti, ein recht unterhaltsames, rhythmisch und klanglich pikantes und virtuoses Orchesterstück, das freilich nicht, wie im Programmheft angegeben, 17 Minuten, sondern nur 11 dauert. Weitere Angaben über den Komponisten blieb man uns freilich schuldig. Hingegen gibt es in besagtem Heft einen (sehr lesenswerten) Nachruf auf Wilhelm Backhaus und gleich zwei Beiträge über Richard Strauss (anläßlich seines 20. Todestages am 8. September).

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