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Kammersymphonie und Reisetagebuch

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Ein Abend mit einem ungewöhnlichen, anspruchsvollen und geistig reizvollen Programm wurde vom Kammerorchester der Konzerthausgesellschaft unter Paul Angerer geboten: Franz Schrekers 1916 entstandene Kammersymphonie, fast eine Uraufführung, zeigt die höchst persönliche Handschrift des bedeutenden Opernkomponisten (dessen Opern man auch nich' mehr kennt); in einer von Richard Strauss und Gustav Mahler, dem klanglichen Duktus jener Zeit, wohl berührten, aber nicht bestimmten Ära. Eine leuchtende instrumentale Palette, zuweilen ein romantisches Ver-sinnen in der Polyphonie der Themen und Gedanken, immer nobel und Nur-Musik in den Tagen der Programm-Musik. — Größter Gegensatz und dennoch die gleiche Erzmusikalität: Die „Actualites“ von Darius M i 1 h a u d, 1928 geschrieben, humorvolle Karikaturen auf die hektische Betriebsamkeit. Presseausstellung, Fliegerempfang, boxendes Känguruh, Wasserkraftwerk (Romantik der Technik), Folgen eines Eisenbahnattentats, Derby: Szenen einer Filmwochenschau, mit überlegenem Lachen hingeschrieben, köstliche Einfälle in der Schilderung des Leerlaufs, der Einfallslosigkeit gemanagter „Aktualitäten“. In seiner Art ein Meisterwerk. Paul H*indemiths Sonate für Bratsche allein

(1928) fand in Paul Angerer ihren berufenen Interpreten. Inhaltlich ebenso der Betriebsamkeit ihrer Zeit gewidmet, hebt sie sich ebenso wie die „Kammermusik Nr. 1, op. 24/l“ musikalisch hoch über die Sphäre der bloßen Schilderung ins Bleibende. Das Kammerorchester hatte seinen großen Tag. In der Kontrapunktik unseres Konzertlebens ist es längst zu einer Stimme geworden, die wir schmerzlich vermissen würden.

Die Wiener Kulturgesellschaft veranstaltete eine Aufführung des Oratoriums „Elias“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy (Chor und Orchester der Wiener Kulturgesellschaft, Chor der Verkehrsbetriebe, die Wiener Sängerknaben) unter Leitung von josef Maria Müller. Die Aufführung wurde vom Chor her ein Erfolg. Die frischen Stimmen, gut studiert und mit Eifer bei der Sache, belebten die gelegentlich etwas matte und schulmäßige Führung. Ein begrüßenswertes Verdienst der Veranstalter, dieses zwischen Haydn und Schmidt bedeutendste Oratorium wieder lebendig werden zu lassen.

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Elisabeth G r ü m m e r sang Lieder von Mendelssohn, Schumann, Schubert und Pfitzner. Die schöne, helle, kultivierte Stimme ist, von der Oper her bekannt, auch mit dem Liedgesang vertraut, weiß genau zu dosieren und im verhaltenen Ausdruck zu überzeugen. Einige Schärfen in der Höhe verloren sich im Laufe des Abends, dessen Eindruck in schöner Steigerung in den Liedern von Pfitzner seine Höhe erreichte.

Mit einer Auswahl aus dem „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ von Ernst K r e n e k holte sich Waldemar Kmentt einen ganz großen Erfolg. Die Unmittelbarkeit und Frische der Aussage, verbunden mit höchster Kultur stimmlicher und gedanklicher Interpretation, war genau im Sinne der Komposition, die wir kaum je mit solcher Wirkung hörten. Den anspruchsvollen Klavierpart spielte Erik W e r b a mit ebensoviel Verve als Verhaltenheit, nie den Sänger deckend und dennoch immer ihn ergänzend. Kreneks „Reisebuch“ ist einer der sehr wenigen Liederzyklen großen Formats von heute und sollte viel öfter von den großen Sängern interpretiert werden.

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Arien von Beethoven, Richard Wagner (Gralserzählung), Weber, Cornelius, Verdi, Giordano und Puccini sang Helge Rosvaenge, begleitet vom .Niedetöstenreichischen Tonkünstlerorqhestef . unter ijZoltan Rosznyai. 'Dserysitt.aem Opernrepertoire bewies, 'wäs:“wir natürlich“ wuBteffV Ein schönes, tragfähiges und gestaltungsfähiges Organ, das man gerne hört und ungern vermißt; eine Künstlerpersönlichkeit, der man sich gerne hingibt in Anerkennung und herzlichem Beifall. Leider wurde der letztere niedergeklatscht von einem Applaus, der mehr nach Stadthalle und Sport als nach Kunst und Musikverein gravierte.

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