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König Artus“ in Stuttgart

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Der Zauberer Merlin war der Sohn des Teufels und einer Jungfrau, also ein höchst dubioses Wesen, saß aber gleichwohl an der vielzitierten Tafelrunde des britischen Königs Artus. In John Drydens „King Arthur“ verkündet er Britanniens Größe, und Äolus beruhigt das Meer, damit die „Königin der Inseln“ sich strahlend aus den Fluten erheben kann. Als ein heroisches Gemälde, zerteilt in lauter Bruchstücke, deren letztes der Friedensschluß des christlichen Königs Artus mit seinem heidnischen Feind, dem Sachsenkönig Oswald, ist, tritt Drydens nach-shakespearischer Text, eine Dramatic Opera, zunächst in Erscheinung. Aufzufüllen ist der Abend mit Gesang und Tanz: Die Musik schrieb allerdings kein Geringerer als Henry Purcell. Welch eine herrliche Partitur! Vor dieser Erfindungskraft und Grazie, vor diesem Ausdrucksreichtum und mit einfachsten Mitteln hervorgebrachten Klangreiz, vor den synkopengesättigten rhythmischen Finessen und der niemals penetrant wirkenden himmlischen Süße kann man nur andächtig sein.

Diese Musik Ist überall als kostbar verzeichnet, wird von wenigen gekannt, jedoch von denen, die durch eine Schallplatte oder eine vereinzelte konzertante Aufführung eingeweiht sind, rückhaltlos bewundert. Ernst Poettgen ist an die englische „Halboper“ nun mit energischdeutschem Griff gegangen und hat sie so lange bearbeitet, bis er glaubte, eine dramatische Handlung hinein- oder — besser — herausgezaubert zu haben. So viel Zauberei hielt das Werk nicht stand. Es verlor seine Unschuld und wurde dubios: Die guten Geister des Barock hatten es verlassen, und die Gegenwart war nicht eingezogen. Was sich unter Poettgens Regie am Württembergischen Staatstheater Stuttgart uraufführungshalber begab (kreiert wurde die Bearbeitung, das Stück selber sah man zum erstenmal auf dem Kontinent), war weder eine „Handlung“ noch „dramatisch“.

In der Originalfassung gibt es (mit einer Ausnahme) keine Gesangsnummern, aber die Schauspieler haben etliches zu singen; sie müssen damals phänomenal begabt gewesen sein. Jetzt sind zwei Geister (der Luft und der Erde) richtige Sänger ' — woran weder Ruth-Margret Pütz noch Hans Günter Nöcker (in der Premiere: Carlos Alexander) Zweifel aufkommen lassen —, und damit ihre Kehlen zu tun haben, fügte der Bearbeiter noch Stücke aus anderen Halbopern Purcells ein.

Weniger auf dauernde Verwandlung als auf epische Schichtung hin scheint sich das Werk in Wahrheit zu entwickeln: eine hierarchische, der damaligen Zeit gemäß zur Fürstenhuldigung, also ins Säkulare umgebogene Schöpfungsgeschichte. Poettgen zielte auf einen Zwitter, anstatt den alten ernst zu nehmen. Die Stuttgarter Aufführung (unter der sensiblen musikalischen Leitung des künftigen „Rheinopern“-Generalmusik-direktors Günther Wich, mit den nahezu genialischen Bühnenbildern Leni Bauer-Ecsys und der einfallsreichen Choreographie John Crankos) hatte mehr Niveau als zündenden Atem. Der Erfolg war groß, aber nicht so von Begeisterung getragen, wie Purcell es verdient hätte.

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