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„Mainzer Umzug“ und „Amphion“

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Im Großen Sendesaal de Wiener Funkhauses leitet Paul Hindern i t h eigenhändig die österreichische Erstaufführung der gemeinsam mit Carl Zuck-mayr zur Zweitausendjahrfeier von Mainz geschriebenen Kantate für Singstimmen, Chor und Orchester „M a i n z e r Umzug“. Die halbszenische Fiktion der beiden Autoren ist, daß zwei Volksfiguren (Böppche und Schöppche — Sopran und Tenor) und ein „ernster“ Bariton (Pro-nobis) einen großen historischen Festzug kommentieren. E handelt ich hier um einen auf Breitenwirkung gestellten populären Spaß, ein „Volksvergnügen“ mit entsprechenden Scherzen, Couplets, Arietten und Quodlibets, die Pronobis durch historische und moralisierende Betrachtungen unterbricht. Die Musik ist typisch für den Hindemith der späteren Zeit: eingängig, problemlos und kunstfertig — wie es sich ja schließlich speziell für ein solches Werk gehört. Anny Schlemm (ebeiuo gewandt in Koloraturen wie in der Mainzer Mundart), Joseph Traxel und Hans Braun waren die Solisten. Der Chor des österreichischen Rundfunks trat hauptsächlich in dem meditativen Prolog hervor.

Ist hier ein einfacher Vorwurf mit großem Apparat realisiert, o handelt es sich bei dem Melodram „Amphion“ von Arthur Honegger um einen höchst schwierigen Gegenstand auf einen Text von Paul V a I e r y (der durch die Übersetzung wesentlich vereinfacht, freilich auch vergröbert wurde) und für dessen Verwirklichung man eine neue Kunstform erprobte, in der alle Elemente des Theaters, unver-mischt, aufgeboten wurden: Musik, Wort, Mimik, Tanz, Kostüm und Bühnenbild. Seit 1891 hat Paul Valery eine solche neue Art des „Schauspiels“ beschäftigt, in den zwanziger Jahren fand er dann die Idee: die Entstehung der Architektur mit Hilfe der Musik, der Übergang von der Unordnung in die Ordnung. Das ist auch der Sinn der griechischen Sage von dem Jupitersohn Amphion, der mit dem Klang seiner Leier die Steine zu bewegen vermochte, so daß sie sich zu den Mauern, Säulen und Türmen von Theben zusammenfügten. Arthur Honegger hat zu diesem Libretto eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Musik geschrieben, mit sehr aparten, ausgefallenen Klängen, die an elektronische Musik erinnern, aber durchweg von den Instrumenten eines ganz normalen Symphonieorchesters hervorgebracht werden. 1931 wurde das Werk von Val#y, Honegger und Ida Rubinstein (Choreographie) an der Pariser Oper uraufgeführt. — Wir kannten bisher nur die mehrteilige Orchestersuite „Amphion“, und es ist das Verdienst des Österreichischen Rundfunks, uns die Kenntnis dieses hochinteressanten, prätentiösen und eindrucksvollen Werkes vermittelt zu haben. Der Dank gebührt auch Paul Hindemith, der sich als Dirigent der schwierigen Partitur angenommen hat, sowie allen Ausführenden: dem Chor und Orchester de Rundfunks, dem ausgezeichneten Sprecher Ernst Meister, Hans Braun und den vier Damen Ries, Thomann, Ratschiller und Lenhart in kleineren Soli und Ensembles.

Zu Beginn de Konzertes, das am 31. Oktober um 20.15 Uhr auch über den Sender I zu hören war, dirigierte Paul Hindemith „Due pezzi per Or-c h e s t r a“ von Luigi Dallapiccola, ursprünglich eine Zwölftonstudie für Violine und Klavier und nicht gerade das Stärkste, das wir von diesem bedeutenden italienischen Komponisten kennen.

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