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Webern und die Folgen

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Das 35. Weltmusikfest der Internationales Gesellschaft fiir Neue Musik (IGNM) findet im Rahmen des 10. Musilkfestes der Wiener Kon- zerthausgesellschaft statt. Seit der Griin- dung der IGNM 1923 in Salzburg wurden die alljahrlichen Musikfeste jeweils in einer anderen Musikstadt Europas abgehal- ten (dreimal ging man — 1940, 1941 und ten. Dreimal ging man — 1940, 1941 und Jahre — am Ende des zweiten Welt- krieges — mufiten die Feste ausfallen. In Osterreich fand, seit seiner Griin- dung, das Weltmusikfest der IGNM nur zweimal statt: 1932 in Wien und 1952 in Salzburg, pbejn&w WienfiRgKQjftMpkgsgn-,, gejeudeq. waren,-eiijyjannajtvn-, gen der IGNM immer prasent, und seit 1945 ist ihr Anteil der gewichtigste und immer noch im Zunehmen. Das gilt be- sonders fur das Werk Anton von Weberns, das eine weltweite Bewegung innerhalb der zeitgenossischen Musik aus- gelost hat. Es steht, wie wir heute wis- sen, nicht am Ende, sondern am Anfang einer Entwicklung, deren Ende noch gar nicht abzusehen ist. Zu Weberns Leb- zeiten schien es anders. Selbst ein so wohl- informierter Musikwissenschaftler wie Hans Mersmann sprach in dem 1928 er- schienenen reichillustrierten Standardwerk iiber die ..Moderne Musik” von der „tie- fen Mudigkeit” der Webernscben Musik, die „nicht mehr gestalten, nicht einmal mehr atmen" konne. ,,Hier geht", heiBt es mit Bezug auf die Fiinf Orchesterstiicke, „ein Weg zu Ende, wir stehen dem Ende der Musik gegenuber, dem absoluten End- punkt, welchen die anderen Kiinste gleich- zeitig erreichten."

Weberns Gesamtopus hat eine Spiel- dauer von knapp vier Stunden. Die ein- zelnen Werke sind von aphoristischer Kiirze und bringen auf engstem Raum eine solche Fiille von Beziehungen, daB von den Interpreten auBerste Genauigkeit, vom HSrer allergrofite Konzentration gefordert ist. Wahrend man namlich die Musik Schfinbergs gewissermaBen — zumindest was ihre Struktur betrifft — noch auf ..traditionelle" Art hriren kann, erfordern die Kompositionen Weberns eine ihrem Wesen entsprechende mikroskopische, punktuelle Auffassung. Denn durch die Aufspaltung der „Reihe" in Motivpartikel gelangt Webern zur Isolierung des Einzel- tones (Klangfarbenmelodie) und, durch Anwendung fast mathematisoher Methoden, zu vBllig neuen Strukturen. die zuweilen ein Horbild von SuBerster Karg- heit ergeben.

Von seiner Methode hat die jiingste Komponistengeneration die Berechtigung beziehungsweise die Verpflichtung ab- geleitet, samtliche Dimensionen der Musik mathematisch zu bestimmen und zu „pr3- formieren": Tonhohe. Klangfarbe, Inter- vallfolge, Zeitwerte, den Grad der Dichte, den dynamischen Ablauf usw. Sie hat damit aus Weberns Anregungen die auBersten Konsequenzen gezogen und, das mufi man zugeben, durchaus neuartige Resultate er- zielt. Nun wird aber immer wieder Webern nicht nur als der Initiator dieser neuen Technik, sondern auch als deren unerreichter Vollender — als Komponist — gepriesen, wahrend man den Nachfolgern gem am Zeuge flickt. Die ersten Konzerte dieses Musikfestes waren geeignet. dieses Urteil zu revidieren

Denn in dem Eroffnungskon- zert der IGNM, auf dessen Programm drei Kantaten von Webern stan- den, war sowohl die (sicher gewollte) Kargheit seiner Tonsprache ebensowenig zu uberhoren wie die Inkoharenz zwischen Text und Musik (Webern verwendete mit Vorliebe die eklektisohen Gedichte der ihm befreundeten Hildegard Jone, sowohl in „Das Augenlicht" von 1935 wie in den spateren „Kantaten“ I und II). Freilich ware eine feinere, differenziertere Art der Interpretation denkbar — und diesen hoch- empfindlichen Klanggebilden zutrag- licher — als die durch den Wiener Kammerchor und ein aus M i t- gliedern des Volksopern- orchesters bestehendes Instrumental-

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(?mt?A,,HanXv,;M..llilft«I .? f gftAbei der; Leitung des Orchesters. Auf der H3he ihrer Aufgabe war eigentlich nur die Solistin Marie-Therese Escribano und, in einigem Abstand, Rudolf Knoll, BaB.

Wie diese Art Musik gespielt werden mufi und kann, demonstrierten zwei Konzerte des Sudwestfunkorchesters. im ersten dirigierte Pierre Boulez seine funfteilige Kantate „P 1 i s e 1 o n p 1 i“ mit dem Untertitel ..Portrait de Mallarme" (von der wir einzelne Teile bereits gehort und an dieser Stelle besprochen haben): eine zwar hochkomplizierte und hochst eigenwillige, aber offensichtlich inspirierte und erregende Musik von zuweilen fern- ostlichem Charakter, deren Struktur eine unleugbare Affinitat zu der der vertonten Texte des GroBmeisters der franzosischen Symbolisten hat. (Die bewunderungswur- digen Solistinnen waren Eva Maria R o g- ner, Sopran, und Maria Bergmann, Klavier.)

Auf dem Programm des zweiten, von Hans R o s b a u d geleiteten, Konzertes standen recht verschiedenartige und -wer- tige Werke, von denen Quaderni I des 1925 geborenen Luciano Berio hervor-

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Z y k 1 u s (3. Symphonic in der Original- fassung) wurde mit dem Konzert fur Orgel, Streichorchester und Pauke von Francis Poulenc eingeleitet. Es war eine gute Idee, dieses Werk zu wahlen, da es bekanntlich sehr schwierig ist, ein Konzert, auf dessen Programm eine Bruck- ner-Symphonie steht, richtig zu erganzen. Obwohl das 1938 im Auftrage der Prin- zessin von Polignac geschriebene einsatzige 20-Minuten-Werk fur den friiheren Poulenc nicht charakteristisch und fur den spaten nicht gewichtig genug ist, kann seine Wahl als gliicklich bezeichnet werden. In dem gutklingenden, gefalligen Stuck rhapsodischen Charakters erweist sich der franzosische Komponist, der drei Jahre nach Bruckners Tod geboren wurde, als der weitaus konventionellere. Jiri Reinberger war der virtuose So- list, der von einem groBen Streicher- orchester der S y m p h o n i k e r begleitet’ wurde, die mit der Interpretation der 3. Symphonie von Bruckner diesen ver- dienstvollen und wichtigen Zyklus glanz- voll beendet haben.

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