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Poesie der Kammermusik

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Wenn der Liederabend Lorenz Höhenbergers bei korrektester stimmlicher Leistung und vorbildlicher Textbehandlung irgendwie im Akademischen steckenblieb und im seelischen Raum leerlief, obgleich das Programm — Schuberts „Schöne Müllerin — zu den dankbarsten und liebenswürdigsten gehört, so ist dies weniger dem Sänger an sich als dem Poeten im Sänger zuzuschreiben, dem es nicht gelang, die romantische Verliebtheit des sorglosen und im Grunde weltfremden Wanderburschen, als Erlebnis zu vermitteln, was heute zugegebenermaßen schwer ist und außer Julius Patzak kaum jemand gleich überzeugend gelingen dürfte.

Die hier fehlende innere Spannung wußte Dagmar Hermann in Liedern von Mozart, Schubert, Hugo Wolf und Joseph Marx um so mehr zu verdichten, als ihre Stimm- und Stilkunst ausgesprochen persönlich profiliert ist und mit vielleicht etwas distinguiert verhaltenem, aber menschlich und künstlerisch echtem Impuls tragische wie heitere Momente poetisch ebenso als gesanglich in immer vollkommener werdender Weise auszudrücken vermag. Die Wirkung wurde durch ihren persönlichen Charme ebenso erhöht, als bei den Marx-Liedem durch die persönliche Begleitung des Komponisten.

In Wolfgang Schneiderhan und Friedrich Gulda taten sich zwei erstrangige und persönlich eigenartige Künstler zusammen und musizierten Sonaten für Violine und Klavier von Beethoven (op. 30 3), Schubert (Duo op. 162), Brahms (op. 108) und Honegger (1. Sonate), davon Honegger die interessanteste, Beethoven und Brahms die vollendetste Wiedergabe erfuhren. Die ausgeprägte Eigenart der Ausführenden verschmolz zu nahtloser Einheit in höchstem — auch hier poetischem — Schwung, der sich bei Beethoven ins Einmalige erhob, wie es vielleicht nur auf Wiener Boden sein kann.

Zwischen zwei Beethoven-Streichquartetten (18 5 und 59 3) hörten wir vom Musikvereinsquartett, das damit ‘ die Traditionen des Schneiderhan-Quartetts im aktuellsten Sinne fortsetzt, Paul Hindemiths drittes Streichquartett op. 22, das sich in den Randsätzen wohl etwas abrupt gebärdet, in seinem langsamen Satz dagegen allein alle noch immer auftauchende Nörgelei gegen die Neutöner in Bausch und Bogen ad absurdum führt. Die Poesie — und ebenso das musikalische Können — in diesem einen Satz ist größer als die sämtlicher Epigonen zusammen. Oder welches ihrer Werke könnte wie dieses zwischen zwei Quartetten Beethovens bestehen? Freilich, wenn es mit der gleichen Hingegebenheit und Ehrlichkeit, wie diese exekutiert wird, was dem Musikvereinsquartett besonders zu danken ist. Prof. Franz Krieg

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