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„Ma vlast“, „Groteska“ und Fischer-Dieskau

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Das große Verdienst Rafael Kubeliks im 5. Philharmonischen Abonnementskonzert war es, Sm.etanas sechsteiligen Zyklus „Ma vlast“ (Mein Vaterland) vorgestellt zu haben. Es hat immerhin: rund achtzig Jahre gedauert, bis man zur Einsicht kam, daß der Einzelvortrag der „Moldau“ — höchstens war einmal „Aus Böhmens Hain und Flur“ sowie „Visegrad“ zu hören — den Intentionen des Komponisten, der ein musikalisches tschechisches Epos schrieb, nicht gerecht werden konnte. Es hätte sich empfohlen, den Zyklus ohne Pause zu spielen. So gingen Spannungsmomente verloren und die Einheitlichkeit der Stimmung mußte leiden. Die Wiener Philharmoniker spielten mit jener unnachahmlichen Klangkultur, die man zwar von ihnen gewohnt ist, aber immer wieder bewundern muß. Rafael Kubelik bevorzugte, im Gegensatz zum , erzählerischen Moment des Werkes, den dramatischen Gehalt, ging weniger .in die poetischen Einzelheiten ein und malte mehr al fresco („Tabor“ und „Blanik“).

Die Wiener Sängerknaben haben erfreulicherweise auf dem Gebiete, wo ihre Stärke liegt, bei den geistlichen Chören, die Höhe wieder erreicht, die sie vor dem Kriege innehatten. Die Aufnahme zeitgenössischer Musik hat sich vollauf gelohnt.

Das Gastspiel des Puppentheaters „Groteska“ aus Krakau war eine wohlausgeglichene, musikalischliterarisch-malerische Darbietung. Stark im Witz, der bis zur Selbstpersiflage ging, reich bewegt im Szenischen, erfindungsreich in den Masken und zweckmäßig in der Musik, bei der man nur die mechanische Wiedergabe und die Lautsprecher bedauerte.

Zwei Liederabende Dietrich Fischer-Dieskaus, beide ausschließlich im Dienste des Schubert-Liedes, zählen zu den bedeutendsten Ereignissen dieses Konzertwinters: der erste durch die Vielfalt des Ausdrucks in der Auswahl der Lieder, der andere, die „Winterreise“, durch die unerhört dichte Atmosphäre, beide durch die ebenso seltene als beglückende Einheit von musikalischem Können und geistigem Gestalten. Beide Programme, das eine mit zwanzig, das andere mit vierundzwanzig Liedern, wirkten weder lang noch ermüdend, vielmehr belebend und anregend in höchstem Grad. Die Kongenialität der Klavierpartgestaltung durch Jörg D e m u s ist von kaum zu überbietender Vollkommenheit. (Außerordentlich dankenswert die auf dem Programmzettel vermerkte Weisung an das Publikum, die Liedgruppen nicht durch Beifall zu unterbrechen.)

Ein Klavierabend von Alfred Brendel faßte drei Sonaten von Beethoven aus dessen verschiedenen Schaffensperioden zu einem schönen und anspruchsvollen Programm zusammen: op. 2/3, op. 57 und op. 106. Der feste Zugriff und die saubere Durchgestaltung ergeben bei Brendel immer klarere Profile, denen auch die lyrische Weichheit nicht fehlt, wenn auch keine Lockerung aus ihr fließt und eine gewisse Sprödheit noch überwunden werden muß. Die Große Sonate für das Hammerklavier, op. 106, wurde wohl in ihren so sehr gefürchteten technischen Schwierigkeiten, nicht aber ganz in ihrer geistigen Problematik gemeistert.

Kurt Nemetz-Fiedler und Erich R o u-b i c e k vermochten einen Abend mit Werken für zwei Klaviere interessant zu gestalten, besonders durch die beiden stilistisch kontrastierenden, in ihrer Vitalität aber verwandten Werke von Max Reger (Variationen und Fuge über ein Thema von Beethoven, op. 86) und Karl Schiske (Sonate op. 29). Das Spiel beider Vortragenden war außerordentlich sauber aufeinander abgestimmt, präzise, gleichwohl ein wenig steif und gläsern, erfuhr jedoch in Manuel Infames „Danses andalouses“ jene Auflockerung zum Leichten hin, die man auch den anderen Werken geJ wünscht hätte.

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