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Sakrale Konzerte

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Aktuelle Kritiken.

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Gleichsam als Auftakt zu den großen Passionsmusiken erklang unter Herbert v. Karajans Leitung Verdis Requiem in einer solennen Aufführung, der leider jede Beziehung zum liturgischen Text und damit der transzendentale Schimmer fehlte. Die Teilung des Solosoprans in zwei Stimmen grundverschiedenen Charakters, desgleichen der stilwidrige Forteeinsatz der Libera-Psalmodie waren außerdem störende Schönheitsfehler. Die musterhafte Präzision der Chöre, in Wohllaut schwelgende Solostimmen und der philharmonische Orchesterglanz halfen einigermaßen darüber hinweg.

Von einem ähnlich passiven Zug blieb auch die Aufführung der (ungekürzten) Matthäuspassion Bachs unter dem gleichen Dirigenten nicht frei. Der gigantische Klangkörper: Singverein, Symphoniker, Sängerknaben und eine auserlesene Solistenschar vermochte im Geiste Bachs niidht völlig aufzugehen. Manches blieb trotz der Tiefenwirkung des Werkes äußerlich und hatte wieder seine Schönheitsfehler: das Voraussingen der Soprane am Beginn, das Mißachtern der Ruhezeichen am Ende der Choralverszeilen; die allzu langen Schlußakkorde; die Übermüdung der Solisten, von denen nur Höngen, Seefried und Patzak vollkommene Leistungen boten, Ferdinand Frantz hingegen die gesamte Partie des Petrus zu schleppend und zu tief sang. Unter Ferdinand Großmanns Leitung erklang das gleiche Werk in der Hofkirche mit einem viel kleineren Aufgebot an Mitwirkenden, weniger großartig, doch inniger und ergreifender.

Mittel- und Höhepunkt von Bachs Johannespassion, der gewaltigsten Gestaltung der Leidensgeschichte Christi v o r der Matthäuspassion, bilden die Gerichtsszenen mit ihren dramatischen Chorrufen, zu denen der erzählende Ton des Evangelisten und die Demut der Choräle weitgespannte Gegensätze bilden. Anlauf und Abklang dieses Dramas sind etwas breit und vertrügen ohne Pietätsverletzung einige Striche. Dieses Gefühl verstärkte sich in der von großer Wucht und hohem Schwung getragenen Wiedergabe unter Karl Böhm (Symphoniker, Singakademie und ein hervorragendes Solistenquintett), daraus neben dem unvergleichlichen Julius Patzak die junge Altistin Else Cavelti eine besonders scilschöne Leistung bot.

Zwischen diesen Großaufführungen gab es eine Reihe passionaler Konzerte. Wir hörten Josef Haydns „Sieben Worte des Erlösers am Kreuze“, gewiß nicht das inspirationsreichste seiner Chorwerke, in einer von Alois Straßl geleiteten Wiedergabe, die den' jungen Chor der Katholischen Aktion (nach einigen vorangegangenen unsicheren Versuchen) bereits in erfreulicher Leistungsfähigkeit zeigte. Luis Schrams Frauenchor mit Baritonsolo und Streichorchester „Stimmezu Gott" kam gegen die epigrammatische Wucht der Anton Wildgansschen Verse nicht auf. Des greisen Max Eggers „österreichisches Requiem“, ein Werk echter Empfindung und großen Wurfs, leidet unter der Zwiespältigkeit zwischen den biblischen Texten in missaler Gliederung und der romantischen Männerchormusik. Das Soldatenlied vom guten Kameraden als Thema eines „Offertorium“ überschriebenen Satzes bleibt auch außerhalb des Gottesdienstes stilwidrig.

Ein „Karfreitagskonzert“ — das Wort ist nicht mehr zu überbieten! — brachte unter Leitung Reinhold Schmids die Erstaufführung von Goffredo Petrassis dramatischem Madrigal „Chör der Toten“, einem eigenartigen, problematischen, doch fluidalem Werk für Männerchor, Blasorchester und drei Klaviere, ferner Reinhold Schmids „Inmitten einer großen Stadt“, gefühlsstark, im Romantischen wurzelnd, von breiter Wirkung (Uraufführung) und Ridiard Wagners „Liebesmahl der A p o s t e l“. Dazwischen wurden Brahms’ Rhapsodie, Schuberts 23. Psalm und die „Allmacht“ aufgeführt. Die Begründung, warum dies unbedingt am Karfreitag geschehen mußte, blieb man uns schuldig.

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