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Chorgesang und Saitenspiel
Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor ist — wenn man die Wirksamkeit der anderen prominenten Chorvereinigungen zum Vergleich heranzieht — verhältnismäßig selten zu hören: das mag ifah zum Tejl wenigsteu.s „aus der Tatsache ergeben, daß die Aufgaben tm Opernhaus am Ring sich selten mit dem offensichtlichen Bestreben des Chors koordinieren lassen, im Wiener Musikleben jene Rolle zu spielen, die der Qualität der größten Berufssängervereinigung Österreichs angemessen wäre. Es liegt aber auch an der vorausschauenden Planung (zum Beispiel Auftreten während der Festwochen), an der mangelnden Heranziehung maßgeblicher Gastdirigenten, die von ihrer
Person aus und mit Werken der Gegenwart, die uraufgeführt werden müßten, den Programmen eines Wiener Staatsopernchores europäischen Rang verleihen könnten. Diesmal haben wir — unter der sachkundigen Leitung von Hans Gillesberger — die schon vom Wiener Kammerchor her bekannten Hindemith-Madrigale nach Gedichten von Weinheber und eine Motette für Doppelchor von J. N. David aus dem Jahre 1936, ebenfalls wohlbekannt, gehört. Als Erstaufführung und an die Spitze des Programms gestellt, wurde das Fragment einer Messe von Giovanni Gabrieli (drei- chörig) geboten. In dieser getürmten Klangpracht, die der einstige Kapellmeister der Markuskirche entfaltet, zeigten sich alle chorischen Werte in hellstem Licht, vor allem die Intonationsreinheit, die Spannweite im Dynamischen und das stilistische Verständnis, vor allem im Gloria des Fragments.
Der Gewinn des 5. Konzerts im Zyklus „Die große Symphonie” hieß Michel Schwalbe, Solist im Violinkonzert D-dur von Tschaikowsky. Dieses melodiengesättigte Werk wurde von dem Gast — er ist Konzert meister der Berliner Philharmoniker — nicht, wie das zuweilen üblich ist, parfümiert und versüßlicht, sondern eher mit einem kaum merklichen herben Zug versehen, der durchaus nicht schadete. Diese Interpretation, bei . der eine, vollendete Technik der schwierigsten Passagen wirklich „spielend” Herr wurde,-hat stärksten Beifall im Größen ‘MusikvėrŽinSŠaal erzielt. Die orchestralen Auffassungen — es spielten die Wiener Symphoniker unter Wolfgang Sa wal lisch — erreichten in den beiden anderen Werken („Prėlude ä 1’aprės-midi dun faune“ von Debussy und 6. Symphonie von Beethoven) nicht die gleiche Vollkommenheit. Besonders der „Nachmittag eines Fauns" geriet zu schwer, es fehlte die Leuchtkraft und der Duft der „panischen Welt“.
Das Ensemble des Concentus m u s i c u s erfreute uns im Kuppelsaal des Palais Schwarzenberg mit einer feinen Auswahl von Barockmusik und konnte sogar, wenn hier überhaupt der Ausdruck „Sensation“ am Platz ist, mit einer solchen im spezifisch Klanglichen aufwarten: die Künstler brachten nämlich Bachs Tripelkonzert in der klanglichen Originalform, und da zeigte sich’s wieder einmal, daß es doch einen Sinn hat, sich jahrelang um eine instrumentalgerechte Aufführung zu bemühen. Das merkwürdige an solchen Konzerten des Concentus ist, daß nie das Gefühl einer papierenen Demonstration aufkommt, daß vielmehr alles lebendig dahinströmt.
Das Beste, was der Aufführung des „Deutschen Requiems“ von Brahms im Großen Musikvereinssaal nachgerühmt werden kann, ist der ehrliche Eifer der vielen mitwirkenden jugendlichen Sängerinnen und Sänger, die Begeisterung, das ehrliche Gefühl, die redliche Hingabe an ein gewaltiges Werk, die saubere Leistung des Orchesters und die mitreißende dirigentische Führung (Orchester der Wiener Kulturgesellschaft, Dirigent Josef Maria Müller: Chöre: Wiener Verkehrsbetriebe, Gesang- und Orchesterverein Klosterneuburg: Schülerchor des Bundes- und des Realgymnasiums Klosterneuburg: Solisten: Anny Felbermayer, Hans Braun; an der Orgel: Hans Krneth). Die Zuhörer des leider nicht ganz besetzten Saales waren ergriffen und zollten starken Beifall.
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