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Trauermusiken

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Einen interessant programmierten Abend berühmter „Trauermusiken“ bescherte das ORF-Symphonieorchester unter Ernes Bour im Musikverein: Maurice Ravels „Tombeaude Couperin“, zum Andenken an die gefallenen Freunde komponif rt, besteht aus vier orchestrierten Sätzen aus dem sechsteiligen Klavierwerk von 1917. Es ist ein Werk des Ubergangs: harmonisch reiches, apartes Rankenwerk der Frühzeit und stark vereinfachte lineare Strukturen, wie Ravel sie in der Spätzeit verwendete, greifen ineinander, ergeben ein aufgelichtetes Stück tänzerischer Atmosphäre. Es ist eine Trauermusik ohne alle Traurigkeit, voll kapriziösen Getändels, eine Maskerade von gläserner Transparenz.

Das ORF-Symphonieorchester setzt sich mit Ravels delikaten Nuancenspielereien etwas derb auseinander. Behutsame Steigerungen, wie die im Menuet, wirkten derb-auftrumpfend. Es fehlten die Zwischenwerte des Träumerischen, Melancholischen.

Noch empfindlicher störte dieser Mangel an Einfühlung in subtile Farbenkombinationen in der Aufführung von Pierre Boulez' „Tom-beau“, einer Trauermusik für den verstorbenen Mäzen der Donaueschinger Musiktage, Fürst Max Egon zu Fürstenberg. „Tombeau“ ist der Schlußteil aus dem Zyklus „Pli selon pli“, einem von Boulez' Hauptwerken, in dem er all jene Erfahrungen resümiert, „die zu einer Auflockerung und Durchbrechung der in allen Parametern prädeterminierten seriellen Musik geführt haben“. Aus möglichen Improvisationen und Kombinationen, den sich immer wieder ändernden Details, die strukturell untereinander verbunden sind, bezieht das sanft schimmernde Stück seinen Hauptreiz.

Im Mittelpunkt des Konzerts standen Fragmente aus Ernst Kreneks Oper „Karl V.“ (für Sopran und Orchester, op. 73 a), 1933 nach Vollendung der Oper für den Konzertsaal quasi als „Publikumsinformation“ zusammengestellt.

Zwölftonmusik ist in diesen musikalischen „Gemälden“ wie im ganzen Werk zwingendes Prinzip. Dennoch ist Krenek Ausdrucksintensität wichtiger erschienen als die Erfüllung jenes makellosen Konstruktionsprinzips, so daß er einmal bekannte, mit den Reihen noch recht „kavaliersmäßig“ umgegangen zu sein. Die drei Teile wirken jedenfalls — im Konzertsaal dargeboten — streng geschlossen: von bukolischen Traum Karls von Estremadura über Eleonores Schilderung einer Szene an der Abendtafel in Paris bis zum Tod Karls wölbt sich eine erregende Spannungskurve.

Haiina Lukomsko gestaltete das ergreifende Solo ausdrucksvoll, mit weichem, geschmeidigem Timbre, vornehmer Zurückhaltung. Ein Sopran von kühler Eleganz. Ernest Bour erwies sich einmal mehr als Souverän in der Gestaltung neuer Musik. Über verschiedene technische Unzulänglichkeiten im Orchester konnte auch er nicht hinweghelfen. An Werken von Boulez oder Ravel wird das ORF-Orchester noch lange zu arbeiten haben.

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